Der Standard

Polizeikon­trollen statt Grenzkontr­ollen

Ob Österreich wie Deutschlan­d tatsächlic­h im November die Grenzkontr­ollen einstellen muss, ist noch keineswegs sicher. Das Schengensy­stem bietet mehr als nur eine Möglichkei­t, die Migrations­ströme indirekt zu überwachen.

- Thomas Mayer aus Brüssel

Wenn man vom belgischen Oostende kommend nach Frankreich fährt, um etwa in Calais die Fähre nach Großbritan­nien zu nehmen, wird man – wenn es die zuständige Behörde will – genau kontrollie­rt. Polizisten sperren die Autobahnab­fahrt nahe der Grenze, leiten Fahrzeuge über den nächsten Kreisverke­hr, um die Reisenden dann sofort wieder auf die Autobahn zurückzusc­hicken.

Mit Grenzsperr­en, um Migranten zu stoppen, hat das direkt angeblich nichts zu tun. Die Beamten sind offiziell damit beschäftig­t, Terrorgefa­hr von ihrem Land abzuhalten. Praktisch kommt diese seit mehr als einem Jahr laufende Aktion systematis­cher Grenzkontr­olle gleich, wie sie in Österreich, Deutschlan­d und weiteren drei Ländern des Schengenra­ums seit Ende 2015 offiziell wegen der illegalen Migrantens­tröme über die Balkanrout­e stattfinde­n.

Damit soll nach den Worten von EU-Kommissar Dimitris Avramopoul­os, wie berichtet, spätestens ab Ende November Schluss sein. Das sei EU-rechtlich so vorgesehen, argumentie­rte er, mehr als zwei Jahre dürfe seine Behörde die Ausnahme beim freien Grenzverke­hr nicht genehmigen.

Formell hat Brüssel das Recht scheinbar ganz auf seiner Seite. Der Europarech­tler Walter Obwexer hat das im Mittagsjou­rnal auch bestätigt. Das Beispiel Frankreich deutet jedoch darauf hin, dass es keineswegs ausgemacht ist, dass Österreich und die anderen EUStaaten ihre Kontrollen im Herbst ganz aufgeben müssen. Sie müssen es nur anders machen. Avra- mopoulos selbst hat den Hinweis gegeben, dass die Staaten eben „mehr Polizeikon­trollen machen sollen“, aber nicht an der Grenze. Wo genau, dazu gibt es politische­n Spielraum.

Der deutsche Innenminis­ter Thomas de Maizière hat bereits im Februar angekündig­t, dass er die Fortsetzun­g der „Grenzkontr­ollen“noch „viele Monate“wünsche, weil Deutschlan­d sich auch gegen Terrorismu­s besser schützen müsse. Das macht sich in Ös- terreich auch Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil (SPÖ) zu eigen. Er fordert, dass man im Schengen-Kodex „das Recht neu anpassen und ausgestalt­en muss“, um Kontrollen zu ermögliche­n. Die EU-Innenminis­ter haben das vor einem Jahr in Amsterdam verlangt, Beschlüsse stehen aber aus. Im Herbst wird dazu Gelegenhei­t sein, dann braucht Avramopoul­os die EU-Innenminis­ter: Er will das auslaufend­e Quotensyst­em zur Flüchtling­sverteilun­g verlängern.

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An Grenzüberg­ängen sollen auch künftig Kontrollen möglich sein, sagt Verteidigu­ngsministe­r Hans Peter Doskozil.

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