Asyl: Knapp 182 Millionen Euro an private ORS
Aus einer Serie von 196 parlamentarischen Anfragen geht erstmals hervor, wie viel das Innenministerium seit 2015 an den Dienstleister ORS zahlte. 770 Millionen Euro kostete den Bund die Betreuung insgesamt.
Wien – Rupert Doppler ist für die Sachbearbeiter in Österreichs Ministerien eine Art personifizierte Beschäftigungsgarantie. 1256 parlamentarische Anfragen hat der frühere FPÖ- und seit 2015 fraktionslose Nationalratsabgeordnete während der laufenden Legislaturperiode gestellt, also knapp 30 Stück pro Monat. Manchmal will Doppler bloß Details zu einzelnen Straftatbeständen wissen („Welcher Herkunft ist besagter ‚20-Jähriger aus der Stadt Salzburg‘?“), manchmal verteilt er seine Neugier im Gießkannenprinzip auf mehrere oder alle Ministerien.
Das war auch Anfang März der Fall, als Doppler in kurzer Zeit 196 parlamentarische Anfragen verschickte – 14 gleichlautende an 13 Ministerien sowie das Bundeskanzleramt. Er nahm eine Aussendung über die Bilanz der in der „Betreuung von hilfs- und schutzbedürftigen Fremden“tätigen ORS Service GmbH als Anlass für die Frage, welche Geld- und Sachleistungen im Asylwesen aktive Hilfseinrichtungen und Unternehmen von den Ressorts von Jänner 2015 bis Februar 2017 erhalten haben.
Nun wurden die letzten Beantwortungen veröffentlicht – demnach gingen in diesem Zeitraum in Summe knapp 212 Millionen Euro an die 14 Einrichtungen. Zu ihnen zählen sowohl ausschließlich im Asylwesen tätige Vereine wie die Asylkoordination Österreich oder Asyl in Not als auch breiter agierende NGOs wie Volkshilfe, Caritas oder Diakonie. Letztere bieten auch Resozialisierungsprogramme nach der Haft oder etwa psychologische Betreuung für Gewaltopfer an, also kann nicht der gesamte Betrag als Finanzierung des Asyl- und Integrationswesens verstanden werden.
Das mit fast 182 Millionen Euro – 86 Prozent des Gesamtbetrags – teuerste Element in der Matrix betrifft jedoch den Kern des Asylwesens: Es handelt sich um Zahlungen aus dem Innenministerium (BMI) an die gewinnorientierte ORS Service GmbH, die mit diesen Mitteln Unterbringung, Ver- pflegung, Beratung und Transporte von Asylwerbern in Bundesbetreuungsstellen wie Traiskirchen oder Thalham finanziert. Die Flüchtlingsbetreuung des Bundes wurde im Jahr 2003 unter dem damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) privatisiert. Der Vertrag mit ORS besteht seit 2011. Das Unternehmen war im Rahmen einer öffentlichen Ausschreibung als Bestbieter ausgewählt worden, heißt es aus dem BMI zum STANDARD. Man sei mit dem Dienstleister „zufrieden“.
2015 flossen insgesamt 68,9 Millionen Euro aus dem BMI an ORS, 2016 waren es 104,2 Millionen Euro und im Jänner 2017 weitere 8,53 Millionen Euro. Zum Vergleich: Laut BMI beliefen sich die Ausgaben für die Grundversorgung von Flüchtlingen 2015 und 2016 auf insgesamt rund 770 Millionen Euro. Hier fallen auch die Kosten aus der Vereinbarung zwischen Bund und Ländern hinein – also für die Betreuung von Asylwerbern, die bereits in Länderquartiere überstellt wurden: Der Bund zahlt 60, das jeweilige Land 40 Prozent. Die Abrechnung für Anfang 2017 steht noch aus.
Wie viel das BMI für die ORSDienste ausgibt, war bisher nicht bekannt. Eine Geheimhaltungsklausel lässt den Sockelbetrag im Dunkeln. Diesen bekommt ORS zusätzlich zum Tagsatz von bis zu 21 Euro pro Asylwerber, den auch NGOs für die Betreuung erhalten.
Sechs Millionenbeträge mehr
Die größte Zahlung an eine nicht-gewinnorientierte Einrichtung ging laut der parlamentarischen Anfragen mit 11,5 Millionen Euro auch vom BMI aus: an die Caritas. Dahinter folgen 5,37 Millionen Euro aus dem Innenressort und 3,66 Millionen Euro aus dem Bundeskanzleramt, jeweils an den Verein Menschenrechte Österreich. Das BMI ist mit Gesamtausgaben von 201,9 Millionen Euro der größte Geldgeber in der Matrix, dahinter folgen das Bundeskanzleramt mit 3,72 Millionen Euro und das Außenministerium mit 3,11 Millionen Euro.