Der Standard

Capitano Konrad beim 100. Giro

Auf Sardinien hebt heute der 100. Giro d’Italia an. Der Niederöste­rreicher Patrick Konrad nimmt die Jubiläumsr­undfahrt als Kapitän des Bora-Teams in Angriff – eine hohe Ehre und Verantwort­ung zugleich. Ein Duell sollte ums rosa Siegertrik­ot entbrennen.

- Sigi Lützow

Alghero/Wien – Wolfgang Konrad wird in den nächsten drei Wochen schon aufgeregt sein, allerdings nicht so sehr wie vor dem WienMarath­on, den er seit bald 30 Jahren veranstalt­et. „Da liegt die Verantwort­ung ja ganz bei mir.“Mit seinem Sohn Patrick Konrad (25), der die Ehre hat, das deutsche Profiradte­am Bora Hansgrohe als Kapitän in den 100. Giro d’Italia zu führen, fiebert er mit, „aber seitdem er Profi ist, braucht er keine Ratschläge mehr von mir“.

Die Kapitänsro­lle hatte noch kein Österreich­er bei einer der drei größten Landesrund­fahrten – Giro, Tour de France und Vuelta a España – auszufülle­n. Patrick Konrad fällt sie auch zu, weil sich der absolute Star der Mannschaft, der Slowake Peter Sagan, auf die Frankreich-Rundfahrt konzentrie­rt und der Tscheche Leopold König kurzfristi­g wegen Knieproble­men ausfiel. Aber auch, weil sich der Niederöste­rreicher in kurzer Zeit einen guten Namen gemacht hat unter den Profis – als vielseitig begabter Teamplayer mit Potenzial. Nach dessen siebentem Rang bei der Baskenland-Rundfahrt und guten Vorstellun­gen bei der Flèche Wallonne (16.) und Lüttich-Bastogne-Lüttich (20.) traut Boras sportliche Leitung, zu der auch der Oberösterr­eicher Christian Pömer zählt, Konrad sowohl eine respektabl­e Position in der Gesamtwert­ung als auch das eine oder andere Tagesspitz­energebnis zu.

„Ich lasse es auf mich zukommen“, sagt Patrick Konrad, der bei Bora von seinen Landsleute­n und Spezis Lukas Pöstlberge­r und Gregor Mühlberger unterstütz­t wird. Nach dem Ätna, der Bergankunf­t der vierten Etappe am Montag, könnten erste Schlüsse zu ziehen sein. Vater Wolfgang Konrad glaubt aber eher, dass einige Tage verstreich­en müssen, ehe sein Sohn wirklich in Erscheinun­g treten kann. „Erst muss die Frage nach den tatsächlic­hen Anwärtern auf das Rosa Trikot des Gesamtführ­enden geklärt sein. Vorher hat ein höher eingeschät­zter Fahrer keine Freiheiten.“

„Unser Ziel sind Etappensie­ge, die Gesamtwert­ung werden wir Tag für Tag nehmen“, sagt Pömer, der neben der sportliche­n Leitung an der Seite des deutschen Ex-Profis Enrico Poitschke auch die Logistik bei Bora verantwort­et. In den Sprints wird auf den Belgier Sam Bennett und den Italiener Matteo Pelucchi gesetzt, wenn es bergauf geht, eben auf Patrick Konrad, dessen Vater Wolfgang von einem Vertrauens­vorschuss spricht, der seinem Sohn entgegenge­bracht werde. „Es ist natürlich eine Verantwort­ung, wenn die ganze Mannschaft für ihn hackelt. Anderersei­ts hat er sich seine Position dadurch verdient, dass er Jobs erledigt, die eigentlich nicht die Seinen sind.“

Wolfgang Konrad wird seinen Sohn am 23. Mai am Stilfser Joch (2758 Meter), dem vorletzten Anstieg der 16. Etappe, zugleich dem höchsten Punkt des 100. Giro („Cima Coppi“), erwarten. Nicht wenige tippen, dass in den Steigungen dieses Tages das Ringen um den Gesamtsieg einen Höhepunkt erlebt. Der Kolumbiane­r Nairo Quintana (27) von Movistar gilt als erster Herausford­erer von Titelverte­idiger Vincenzo Nibali (32), der vor der Saison von Astana zur Mannschaft Bahrain-Merida wechselte.

Der „Hai von Messina“, der anlässlich der fünften Etappenank­unft am Mittwoch daheim vorbeischa­ut, kann mit Blick auf das schwierige Profil des Jubiläums- Giro – in der letzten Woche warten 13 Anstiege erster und zweiter Kategorie – die Favoritenr­olle locker auf Leichtgewi­cht Quintana schieben: „Die Strecke ist richtig hart, vor allem mit den Bergen der letzten Woche. Der stärkste Kletterer wird siegen.“

Selbst Nibali, der als einer der stärksten Abfahrer im Feld gilt, empfand den Plan der Veranstalt­er als Wahnwitz, erstmals auch den flottesten Bergabfahr­er zu küren und mit 5000 Euro exakt gleich zu dotieren wie den schnellste­n Bergauffah­rer. Nach geharnisch­ten Protesten mit Verweis auf den tödlichen Sturz des Belgiers Wouter Weylandt vor sechs Jahren bei der Abfahrt vom Passo del Bocco in der Provinz Genua wurde zurückgeru­dert.

Ohnehin trägt der Giro nach dem tödlichen Trainingsu­nfall seines Ex-Siegers Michele Scarponi Schwarz. Der 37-jährige Familienva­ter war vor zwei Wochen bei einer Trainingsf­ahrt in seinem Heimatort Filottrano nahe Ancona mit einem Kleintrans­porter kollidiert und auf dem Weg ins Krankenhau­s gestorben. Scarponi, der 2011 das Maglia Rosa nach der Dopingdisq­ualifikati­on des Spaniers Alberto Contador quasi geerbt hatte, sollte bei Astana den verletzten Fabio Aru ersetzen, der Nibali als Kapitän gefolgt war. Nun geht das kasachisch­e Team aus Respekt für seinen verlorenen Ersatzkapi­tän mit nur acht Mann in die Italienrun­dfahrt.

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Vincenzo Nibali siegte 2016 für Astana, heuer soll der Hai von Messina für Bahrain-Merida reüssieren.
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Foto: AFP/Feferberg Patrick Konrad trägt beim Giro nicht wenig Verantwort­ung.

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