Geschenke als Belohnung für Steuern werden zum Ballast
In Japan kann der Empfänger eines Teils der Steuern gewählt werden. Gemeinden werben um die Gunst der Steuerpflichtigen mit Flugtickets, Computern und anderen Geschenken. Dies und der Entgang von Einnahmen belasten vor allem Städte.
Der japanischen Regierung ist das einzigartige Kunststück gelungen, die eigentlich unangenehme Bezahlung von Steuern in ein unterhaltsames Einkaufsvergnügen zu verwandeln. Inzwischen fliegt das innovative System seinen Erfindern aber um die Ohren.
Doch der Reihe nach: Die Japaner können einen bestimmten Teil ihrer Lohn- und Einkommenssteuer an eine andere Gemeinde schicken, die sie als ihre „Heimat“empfinden, selbst wenn sie noch nie dort waren. Die Empfängergemeinden bedanken sich für die Überweisung mit lokalen Produkten als Geschenk. Das macht die Umleitung der Steuer für die Bürger attraktiv, weil sie für ihre Steuer de facto eine geldwertige Gegenleistung erhalten.
Zwar wird eine Kostenpauschale von umgerechnet 16 Euro fällig, aber die Geschenke sind immer wesentlich mehr wert. Die Regierung richtete sogar eine Beratungsstelle ein, in er die Geschenke ausgestellt werden. „Besonders beliebt sind Erlebnisgutscheine, zum Beispiel für eine Übernachtung in einem Badehotel“, berichtete eine Beraterin dem TV-Sender NHK.
Der individuelle Steuertransfer soll Japans ländliche Regionen unterstützen, die unter Landflucht und Strukturschwäche leiden. Später wurde die Heimatsteuer als Möglichkeit beworben, den vom Tsunami betroffenen Gebieten zu helfen. Diese Argumente überzeugten Hunderttausende von Japanern, sodass im vergangenen Jahr geschätzte 1,6 Milliarden Euro in die „Heimat“flossen.
Aber je mehr Bürger einen Steueranteil aufs Land transferierten, desto mehr wetteiferten die Städte und Kommunen um diese Extraeinnahme für ihren Steuersäckel, indem sie immer größere und wertvollere Geschenke offerierten. Im Internet können die zahlungswilligen Bürger auf einer offiziellen Seite anklicken, was sie geschenkt haben wollen. Die steuerlichen Formalitäten werden bei der „Bestellung“gleich mit abgewickelt.
Wo anfangs nur lokal produziertes Fleisch, Fisch, Obst und Gemüse verschenkt wurden, gibt es nun je nach der Höhe der Heimatsteuer Computer, Haushaltsgeräte, Musikinstrumente oder Flugtickets als Belohnung. Einige Gemeinden verteilen teure Übernachtungsgutscheine, eine Kom- mune versprach zeitweise sogar Grundstücke. Doch die Steuerspender schneiden sich dabei auch ins eigene Fleisch. Denn das überwiesene Steuergeld fehlt nun der Gemeinde, in der sie eigentlich wohnen. Allein den 23 Stadtbezirken von Tokio gehen derzeit jährlich mehr als 100 Mio. Euro verloren. „Unser Etat schrumpft, weil sich der Verlust durch die Heimatsteuer in diesem Jahr erneut verdoppelt hat“, klagte etwa der Bürgermeister des Tokioter Bezirks Setagaya, Nobuto Hosaka. Daher könnten fünf Kindergärten und eine Schule nicht gebaut werden.
Aber auch für die Empfängerkommunen rechnet sich das System immer weniger. Nur 20 Städte und Kommunen kassieren bereits ein Viertel der Heimatsteuer, weil sie die besten Geschenke haben. Die wirklich armen Regionen profitieren nicht. Zugleich gaben die Kommunen im Schnitt mehr als die Hälfte der erhaltenen Heimatsteuer gleich wieder für die Geschenke aus.
Angesichts dieser Auswüchse musste das Innenministerium jetzt die Notbremse ziehen. Die Kommunen dürfen ab sofort nicht mehr als 30 Prozent ihrer Heimatsteuereinnahmen für die Geschenke ausgeben. Dabei ist das Ministerium für die negative Entwicklung selbst mitverantwortlich: Erst vor zwei Jahren hatte es den abführbaren Anteil der Heimatsteuer verdoppelt – und damit auch die Menge der Geschenke, die man damit einsammeln konnte.