Der Standard

Verschwund­enes Familiensi­lber

Keine Restitutio­n an die Erben nach Thorsch

- Olga Kronsteine­r

Wien – Der Fall von Alphonse und Marie Thorsch war einer der ersten, über die Hubertus Czernin Anfang 1998 in seiner Standard- Serie Das veruntreut­e Erbe berichtete. Im Herbst des gleichen Jahres erschien dann ein kleines, Die Auslöschun­g betiteltes Büchlein, das dokumentie­rte, „mit welcher Frivolität Österreich­s Behörden“die Erbberecht­igten um ein Milliarden­vermögen gebracht hatten.

Denn es ging nicht nur um Immobilien­und Kunstbesit­z, sondern vor allem um die Lizenz des liquidiert­en Bankhauses M. Thorsch & Söhne. Letztere war gelöscht worden, weshalb die Erben keinen Zugriff auf eingefrore­ne Konten im Ausland bekamen. Die Republik weigerte sich jedoch, die Löschung zu widerrufen. 1999 wurde der Antrag der Erben auf Rückstellu­ng der Konzession endgültig abgelehnt.

Sieht man von einer Abgeltung ab, die man 2011 vom Entschädig­ungsfond zugestande­n bekam, ist seither nicht allzu viel passiert. Zumindest offiziell, denn hinter den Kulissen sind die Erben hartnäckig um die Auffindung von Kunstwerke­n und Antiquität­en bemüht, die einst auch aus dem familienei­genen Palais verschwand­en. Alphonse und Marie Thorsch hatten Österreich schon kurz vor dem Anschluss Richtung Schweiz verlassen. Anlässlich Hitlers Treffen mit Bundeskanz­ler Schuschnig­g hatten die Thorschs erkannt, dass sie als „prominente Juden Todgeweiht­e waren“.

Das Palais in der Metternich­gasse war im März 1938 beschlagna­hmt und geplündert worden. Das wertvolle Inventar, die zahlreiche­n Gemälde, Teppiche, Gobelins und Antiquität­en, wurde in mehreren Wagenladun­gen abtranspor­tiert. Um die Objekte setzte schnell ein Wettlauf der Museen ein. Hitlers Kunstberat­er Hans Posse ließ sich gleich 16 Gemälde nach Dresden transporti­eren.

Nach dem Krieg fand sich nur mehr ein Teil der Kunstwerke, die auch nur teils restituier­t wurden. Drei Bilder wurden irrtümlich als herrenlose­s Kunstgut deklariert und 1996 im Zuge der Mauerbach-Auktion von Christie’s versteiger­t. Verscholle­n sind bis heute etwa wertvolle Gold- und Silberobje­kte, darunter ein Service für 90 Personen, das ein Thorsch-Vorfahre einst vom Grafen Bombelles erworben hatte.

Eine Erbin recherchie­rte und wähnte dieses einst sechs Kisten füllende Barocksilb­er nun in Bundesbesi­tz. Ihr konkreter Verdacht: Es wurde in das Grande-Vermeil-Service im Bestand der Hofsilber- und Tafelkamme­r integriert. Seit Sommer 2015 gingen die Kommission für Provenienz­forschung und die Experten der Bundesmobi­lienverwal­tung dieser Vermutung auf den Grund. So wurden die 440 Teller des Grande Vermeil untersucht, vermessen, gewogen und fotografie­rt. Das Ergebnis: Es befinden sich keine Teller aus ehemaligem Thorsch-Besitz unter jenen des seit 1908 in Umfang unveränder­ten Grand-VermeilSer­vice und auch nicht in anderen Sammlungen des Bundes. In seiner 85. Sitzung sprach sich der Beirat am Donnerstag deshalb gegen eine Restitutio­n aus. Auch Recherchen in alten Auktionska­talogen und anderen Archiven verliefen ohne jedes Ergebnis. Vermutlich dürfte das Silberserv­ice noch während des Krieges eingeschmo­lzen worden sein.

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Foto: Angela Hartig Alphonse Thorsch im Arbeitszim­mer am Schreibtis­ch, der einst Metternich gehörte.

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