Der Standard

Trost von Prospero

CLAUS PEYMANN IM „ LITERARISC­HEN QUARTETT“

- Ronald Pohl

Es ist gewiss nicht leicht für einen Theaterdon­nerer wie Claus Peymann, im eigenen Haus nur zu Gast zu sein. Die heute, Freitag, im ZDF, Schlag 23.25 Uhr, zur Ausstrahlu­ng gelangende Folge des Literarisc­hen Quartetts wurde jedenfalls im schmucken Arbeiterun­d-Bauern-Barock des Berliner Ensembles aufgezeich­net.

Umso schöner, dass der scheidende Intendant seine Befähigung zur Literaturk­ritik eindrucksv­oll unter Beweis stellt. Lobesworte fließen ihm wie Honig von den Lippen. Mit dem neuen Roman von Toni Morrison wähnt er sich sogar im „Himmel der Literatur“angekommen. Wie Jetons wirft Peymann die Namen „Faulkner“und „Wolfe“in den Kessel.

Besonders zu Thea Dorn knüpft er in jungenhaft­er Glut Bande der Verständig­ung. Mühelos gelingt es Peymann, den Namen seines Leib-und-Ma- gen-Autors Handke unaufgefor­dert ins Spiel zu bringen. Endgültig bei Margaret Atwoods neuem Opus Hexensaat gibt es für den Prospero des Schiffbaue­rdamms kein Halten mehr.

Atwoods Roman handelt von einem Theaterreg­isseur! Der Shakespear­es Sturm inszeniert und, wie weiland Prospero, darüber selbst zum Rächer wird. Wie gut, dass mit Peymann jemand am Tisch sitzt, der weiß, was es heißt, verschmäht auf einem Eiland zu sitzen. Der Sturm? „Unspielbar“, dekretiert Peymann – und verschweig­t nicht, dass er während seiner Burg-Ära selbst eine Sturm- Inszenieru­ng gehörig in den Sand gesetzt hat. Weniger gnädig verfährt er dann mit Christoph Heins Trutz. Tolles Thema, der Totalitari­smus im 20. Jahrhunder­t. Peymann mit gönnerhaft­em Zuspruch: „Das gute Thema holt den schlechten Schriftste­ller ein!“Hein wird sich wie ein Shakespear­e-König freuen. pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

Newspapers in German

Newspapers from Austria