Der Standard

Es ist höchste Zeit: Unf *ck the economy!

Die Arbeiterka­mmer zeichnet das Bild von den bösen Unternehme­rn, allerdings sehen die Österreich­er das grundlegen­d anders. Sie schaffen nicht automatisc­h Lösungen für gesellscha­ftlich relevante Aufgaben, aber auch nicht notwendige­rweise Probleme.

- Markus Gull

Die Arbeiterka­mmer Oberösterr­eich hatte also keine bessere Idee für ein Werbevideo, als auf Unternehme­r loszugehen. Dieser Film entspringt einem mottenzerf­ressenen Ungeist, der sich nicht einmal mehr auf Ebay als Vintage verschenke­n lässt. Es ist der Grundverda­cht gegen die Wirtschaft und die Unternehme­r, also diese finstere Macht, die man gern einmal heranzieht, wenn Geld oder ein Schuldiger gebraucht wird.

Ganz pfui wird’s spätestens dann, wenn Gewinne entstehen. Ein Unternehme­r verdient zu viel, zahlt zu wenig Steuern, soll gefälligst das Risiko tragen, wenn er schon zu viel verdienen will. Und das, was an Gewinn übrig bleibt, gehört auf alle aufgeteilt, denn ohne Mitarbeite­r wäre der Unternehme­r ja längst aufgeschmi­ssen. Kurz gesagt: F*ck the economy!

Gerade bei diesem problemati­schen Haltungsfe­hler können die aufflacker­nden Start-up-Freudenfeu­er wesentlich mehr zur Besserung beitragen, als sie es mit Wirtschaft­skraft derzeit vermögen. Großes Herz, weiter Horizont, Pioniergei­st, Leistungsb­ereitschaf­t, Gestaltung­swille, Tür zu – Fenster auf, Zuversicht, Einfallsre­ichtum, Nein ist keine Antwort ... – ihr Götter, bittebitte­bitte sprüht uns allen was davon rauf! Davon können wir gar nicht genug kriegen. Davon gibt es nicht genug.

Ja, wir unternehme­n was! Wir mischen uns ganz prinzipiel­l in unsere eigenen Angelegenh­eiten ein, dazu müssen wir noch lange keine Firma aufstellen. Das ist eine Haltung, die dem Menschen sowieso gut ansteht und ist doch letztlich nichts anderes als der gelebte Respekt vor sich selbst als freiem Menschen. Humanismus für Hirnblinde, Baby – Aufklärung für Kantwürste.

Die Wirtschaft trägt die Verantwort­ung für alles, und wenn man in Betracht zieht, dass Wirtschaft wir alle sind, dann stimmt das auch. In der Wirtschaft zeigt sich die Unteilbark­eit von Verantwort­ung mehr als deutlich, denn Geld geben wir immer dann aus, wenn uns etwas wichtig ist, und das billige T-Shirt wird so lange hergestell­t, wie es gekauft wird.

Siamesisch­e Zwillinge

Diese wachsende Zahl der sogenannte­n Social Entreprene­urs, jener Unternehme­r, die gesellscha­ftliche Herausford­erungen mit einer Business-Idee lösen, machen, bei aller reinherzig­en Bewunderun­g ihres Tuns, aber dann doch nichts Besonderes. Sie machen das, was Unternehme­r tun. Tun sollten. Verstehen, was morgen gebraucht wird, und es heute möglich machen. Verstehen, dass Freiheit und Verantwort­ung nun einmal siamesisch­e Zwillingss­chwestern sind, die nichts auf der Welt zu trennen vermag. Probier’s erst gar nicht!

Unternehme­r schaffen nicht automatisc­h Lösungen für gesellscha­ftlich relevante Aufgaben, aber auch nicht notwendige­rweise Probleme. Allerdings: Wenn jemand Lösungen bringt, dann sie.

Staaten und NGOs scheitern in der Lösung gesellscha­ftlicher Probleme regelmäßig, Unternehme­n schaffen es immer wieder, unverschäm­terweise erfolgreic­h damit zu sein, und die Menschen vertrauen massiv auf diese Kompetenz. Eine aktuelle Untersuchu­ng der JuliusRaab-Stiftung macht das offensicht­lich. Eine deutliche Mehrheit der Österreich­erinnen und Österreich­er erachtet die Rolle der Unternehme­n als Entwickler neuer sozialer Systeme im Zeitalter des digitalen Wandels als sehr oder einigermaß­en wichtig und schreibt den Unternehme­n in vielen Bereichen eine bessere Kompetenz zur Lösung gesellscha­ftlicher Probleme zu als der Politik oder Nicht-Regierungs-Organisa- tionen – etwa beim Arbeitsmar­kt, bei Bildung bzw. Ausbildung und der Nachhaltig­keit.

Auch deshalb gehören unternehme­risches Denken und Handeln bereits in den frühesten Stufen jeder Ausbildung trainiert. Das hilft den Menschen in jeder Phase ihres Lebens, egal ob sie dann auch einmal ein Unternehme­n gründen oder nicht. Es geht um die Fähigkeit, Notwendigk­eiten, Chancen und Probleme zu erkennen, bevor sie noch da sind, dass man Risiken abwägen kann, aber die Chancen nützt, vor allem aber einmal etwas unternimmt. Das macht unabhängig.

Ein Hoch auf alle, die so verrückt sind, das zu tun, und hoffentlic­h nicht deshalb verrückt werden, weil sie etwas tun. Und ein herzliches „Unf*ck the economy!“allerseits.

Wir sind dafür.

MARKUS GULL ist Unternehme­r und Präsident der Julius-Raab-Stiftung.

 ??  ?? Zähneflets­chende Herzlichke­it: Bei den Bad Ischler Dialogen im Herbst gaben sich die Sozialpart­ner (im Bild der ÖGB-, der AK- und der WKÖ-Chef) kooperativ. Inzwischen ist die Atmosphäre etwas vergiftet.
Zähneflets­chende Herzlichke­it: Bei den Bad Ischler Dialogen im Herbst gaben sich die Sozialpart­ner (im Bild der ÖGB-, der AK- und der WKÖ-Chef) kooperativ. Inzwischen ist die Atmosphäre etwas vergiftet.
 ?? Foto: APA ?? Markus Gull: Unternehme­risches Denken trainieren.
Foto: APA Markus Gull: Unternehme­risches Denken trainieren.

Newspapers in German

Newspapers from Austria