Der Standard

Le Pen nicht das Feld überlassen

Die Bau- und Konstrukti­onsfehler der Eurozone gehören ohne Dogmen diskutiert

- András Szigetvari

Marine Le Pen hat nicht in allem unrecht. Manche Probleme beschreibt die Spitzenkan­didatin des rechtsextr­emen Front National zutreffend, auch wenn das keineswegs bedeutet, dass ihre Konzepte Teil einer sinnvollen Lösung sind. So ist es etwa bei Le Pens Argumentat­ion zum Euro. Sie hat im Präsidents­chaftswahl­kampf wieder und wieder gesagt, dass Unternehme­n aus Frankreich und südeuropäi­schen Ländern durch den Euro stark an Wettbewerb­sfähigkeit verloren haben, während Deutschlan­d der große Gewinner sei.

EU-Politiker, Journalist­en und Ökonomen tun diese Argumentat­ion oft als nationalis­tisches Gerede ab, das obendrein brandgefäh­rlich sei. Wer wie Le Pen den Euro sprengen will, gefährde die wirtschaft­liche Stabilität, vernichte Jobs und Sparguthab­en.

Doch mit solchen Horrorszen­arien lässt sich keine ernsthafte Debatte führen, und das ist schade. Denn es ist an der Zeit, über den Euro undogmatis­ch zu sprechen. Solange die Währungspo­litik in Händen der Nationalba­nken lag, werteten Länder bei wirtschaft­lichen Problemen ihre Währung ab. Dadurch wurden Exporte im Ausland billiger. Zugleich verteuerte­n sich Importe. Ungleichge­wichte in der Leistungsb­ilanz ließen sich so ausgleiche­n.

Weichwähru­ngsländer wie Italien, Griechenla­nd, Zypern und Spanien nutzen Abwertunge­n regelmäßig, um ihre Wirtschaft zu stützen. Der französisc­he Franc war keine Weichwähru­ng, doch im Verhältnis zur D-Mark ließ auch die Notenbank in Paris immer wieder leichte Abwertunge­n zu. Dieser Weg ist den Eurostaate­n heute versperrt.

Das belastet mehrere Länder. Seit 2000 verlor die Industrie in Südeuropa Anteile am Weltmarkt. In Italien, Portugal, Griechenla­nd schrumpfte der Industriea­nteil an der Wirtschaft­sleistung drastisch, in Frankreich spürbar. Das Grundprobl­em: Diese Länder produziere­n im Vergleich zu deutschen Konkurrent­en zu teuer.

Liberale Ökonomen wenden ein, schwächeln­de Staaten bräuchten deshalb eine Kur nach deutschem Vorbild. Ziel müsste sein, mittels Lohnzurück­haltung wie bei Hartz IV und mit Reformen wettbewerb­sfähiger zu werden. Doch es gibt gute Argumente dagegen. Europa erholt sich soeben von der schwersten Wirtschaft­skrise seit 1945. Nun Lohnzurück­haltung zu verordnen, würde den Konsum abwürgen, eine neue Krise entstehen lassen.

Eine Rückkehr zur eigenen Währung inklusive Abwertung hingegen wäre der einfachste Weg für Frankreich, Italien und Co, rasch Wettbewerb­svorteile zu generieren.

Allerdings wären Verwerfung­en im Bankensekt­or die Folge, ebenso Kapitalver­kehrskontr­ollen. Müssten Länder ihre Euro-Schulden in Lira und Franc abbezahlen, wären Staatsplei­ten unvermeidl­ich. Le Pen hat für diese Probleme nicht im Ansatz vernünftig­e Lösungsvor­schläge. Es spricht viel dafür, nach einer Abwägung zu sagen: Statt Euroaustri­tten sollte man andere Möglichkei­ten finden, um geschwächt­en Ländern aufzuhelfe­n. Öffentlich­e Investitio­nen und Maßnahmen zur Reindustri­alisierung im Süden wären Ansätze. Deutschlan­d müsste investiere­n, um Importe aus anderen EULändern anzukurbel­n.

Bisher geschieht das nicht ausreichen­d. Und die Moderaten überlassen es Le Pen, über die Fehler des Euro und die damit verbundene hohe Arbeitslos­igkeit in den Südländern und in Frankreich zu reden. Damit entsteht der Eindruck, nur sie würde heikle Probleme ansprechen. Das ist fatal.

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