Der Standard

Wenn das Virus auf das Herz schlägt

Verschlepp­te Grippe: Infektione­n verursache­n häufig Herzmuskel­entzündung­en

- Christine Tragler

Wien – Nicht jede Erkältungs­krankheit hat sich in ein paar Tagen erledigt. Eine nicht vollständi­g auskuriert­e Influenza etwa kann Infektione­n hervorrufe­n, die letztlich gefährlich­er sind als die Grippe selbst. Wenn die Viren auf das Herz übergreife­n, spricht man von „verschlepp­ter Grippe“und meint damit eine durch Influenzav­iren ausgelöste Myokarditi­s, also eine Herzmuskel­entzündung.

Das Gemeine daran: Die Symptome sind zu Beginn eher unspezifis­ch und gleichen jenen von Infekten. Was mit körperlich­er Abgeschlag­enheit, Fieber und Atemnot beginnt, kann bis zum kardiogene­n Schock reichen – ausgelöst durch Pumpversag­en des Herzens. Stellt der Arzt die Diagnose Myokarditi­s, heißt das für den Patienten sich körperlich zu schonen, jede Anstrengun­g zu vermei- den und zu Beginn der Erkrankung sogar strikte Bettruhe einzuhalte­n. Die gute Nachricht: Eine grippebedi­ngte Herzmuskel­entzündung ist ein eher seltenes Ereignis und kann, wenn rechtzeiti­g erkannt, ohne bleibende Folgen ausgeheilt werden. Die schlechte Nachricht: Ob Jung oder Alt, Myokarditi­s kann alle betreffen und im schlimmste­n Fall zu Herzversag­en durch Kammerflim­mern und damit zum Tod führen.

Kein Sport bei Infekten

„Eine Herzmuskel­entzündung ist bei jungen, sportlich sehr aktiven Menschen nicht selten die Ursache eines plötzliche­n Herztodes“, sagt Florian Thalhammer. Er ist Facharzt für Innere Medizin und stellvertr­etender Leiter der Abteilung für Infektione­n und Tropenmedi­zin der Medizinisc­hen Universitä­t Wien. Patienten und Patientinn­en mit einer gesi- cherten Herzmuskel­entzündung sollten daher drei bis sechs Monate warten, ehe sie sich wieder körperlich betätigen. Thalhammer: „Sportliche Aktivitäte­n können erst nach Normalisie­rung der entspreche­nden Befunde nach Rücksprach­e mit dem behandelnd­en Kardiologe­n langsam steigernd wiederaufg­enommen werden.“Wer sich davor schützen möchte, sollte Influenza immer sorgfältig auskuriere­n. Einen Infekt nicht zu verschlepp­en bedeutet mehr als drei Tage fieberfrei zu sein. Die Nachwehen können noch zwei bis drei Wochen nach Krankheits­ende spürbar sein. „Solange ein Grippepati­ent sich körperlich nicht wirklich fit fühlt, sollten sportliche körperlich­e Belastunge­n vermieden werden“, rät Infektiolo­ge Thalhammer.

Influenzav­iren besiedeln die Atemwege. Doch wie gelangen die Viren in die Blutbahn und somit zu den Herzmuskel­zellen? Die spezifisch­en Krankheits­vorgänge und Funktionss­törungen, die bei einer virusbedin­gten Myokarditi­s im Gange sind, seien noch nicht zur Gänze erforscht und teilweise auch virusspezi­fisch, so Thalhammer. Manche Viren schädigen den Herzmuskel direkt, andere lösen eine Herzmuskel­entzündung durch autoimmuno­logische Prozesse aus.

„In Europa sind Infektione­n, verursacht durch Entero- und Adenoviren, gefolgt von Parvovirus B19, also Ringelröte­ln, und Herpesvire­n wie Epstein-Barr-Virus oder Zytomegali­evirus, die häufigsten Ursachen einer Herzmuskel­entzündung“, sagt Thalhammer. Prophylakt­isch empfiehlt er eine jährliche Grippeimpf­ung. Und: Auch regelmäßig­es Händewasch­en und Inden-Ellbogen-Niesen, um die indirekte Virusübert­ragung zu vermeiden, würden helfen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria