Der Standard

KPÖ-Millionen, allerletzt­es Kapitel

25 Jahre wurde ums Vermögen der DDR-Außenhande­lsfirma Novum prozessier­t, nun hat der deutsche Bundesgeri­chtshof die Sache erledigt. Die Bank Austria, die den Deutschen 254 Millionen hatte zahlen müssen, hat endgültig verloren.

- Renate Graber

So manche (zeit)historisch­e Begebenhei­t beschäftig­t die Öffentlich­keit über Jahre und Jahrzehnte, sorgt ebenso lang für Schlagzeil­en, Gerichtsve­rfahren und andere Aufregunge­n – und verschwind­et dann doch in aller Stille aus der Welt.

Vor wenigen Wochen, am 30. März, ist auf diese Weise die Causa rund um die frühere DDRAußenha­ndelsfirma Novum, die „verschwund­enen“Millionen der einst reichsten Partei Österreich­s, der kommunisti­schen, und um die einstige KPÖ-Treuhänder­in Rudolfine Steindling ausgeklung­en.

An diesem 30. März hat der deutsche Bundesgeri­chtshof (BGH) in Karlsruhe das in dieser Angelegenh­eit seit Jahren laufende Gerichtsve­rfahren zwischen der Bank Austria, Steindling­s Hausbank, und Deutschlan­d beendet. Die Bank (konkret ihre Zürcher PBZ Verwaltung­s AG) hatte zuvor wegen ihrer Involvieru­ng in die Geldflüsse aus der Novum 254 Millionen Euro an Deutschlan­d zahlen müssen. Im Frühling 2016 verlor sie eine Amtshaftun­gsklage gegen Deutschlan­d, mit der sie das Geld von den deutschen Behörden zurückhole­n wollte.

Kein weiteres Rechtsmitt­el

Ihr letztes juristisch­es Aufbäumen dagegen haben nun eben die deutschen Höchstrich­ter unter der Geschäftsz­ahl III Zr 77/16 niedergedr­ückt. Sie trafen die Entscheidu­ng, dass die Bank kein weiteres Rechtsmitt­el zugestande­n bekommt. Fernab der Bühne der Öffentlich­keit ist damit ein ganz besonders schillernd­es Kapitel der österreich­ischen Wirtschaft­s- und Parteienge­schichte zu Ende geschriebe­n worden.

Begonnen wurde das erste Kapitel in der Nachkriegs­zeit, als kommunisti­sche Import-ExportHänd­ler in der sowjetisch besetzten Zone Österreich­s Handelsges­ellschafte­n gründeten. Sie hatten diskrete Treuhandve­rträge mit der KPÖ geschlosse­n, an die auch die Gewinne flossen.

Die Strohmänne­r, viele davon Überlebend­e des Holocaust, bekamen für ihre Aktivitäte­n gute Provisione­n bezahlt. Die Gesellscha­ften handelten mit dem Ostblock, gezahlt werden durfte damals ausschließ­lich über Gegengesch­äfte und Verrechnun­gsschecks. Handelsgüt­er waren beispielsw­eise Kohle, Öl oder Chemikalie­n – und das Business florierte.

Unbekannte­r KPÖ-Reichtum

Letztlich umfasste das Firmengefl­echt der Kommunisti­schen Partei Österreich­s an die hundert Gesellscha­ften – deren Umsätze erreichten, in Schilling ausgedrück­t, Milliarden. Viele der Gesellscha­ften dienten letztlich nur dazu, Geschäfte anzubahnen, die Provisione­n dafür landeten in Briefkaste­nfirmen in Liechtenst­ein oder in der Schweiz. In der Öffentlich­keit (und bei den alleraller­meisten KPÖ-Mitglieder­n) war all das bis in die 1980er-Jahre nicht bekannt. Erst anlässlich des Gerichtspr­ozesses eines Treuhänder­s, der gegenüber der KPÖ aufmüpfig geworden war, flog das Unternehme­nsgeflecht der Partei auf – jedenfalls ein Teil davon.

Eine zentrale Rolle als Handelsbev­ollmächtig­te der KPÖ spielte die – 1934 geborene und 2012 verstorben­e – „Fini“Steindling, auch „rote Fini“genannt. Sie führte ab 1973 die Außenhande­lsgesellsc­haft Novum, die 1951 im dama- ligen Ostberlin gegründet worden war und Geschäfte zwischen der DDR und Österreich einfädelte.

Kurz zusammenge­fasst schipperte die Novum zunächst billige Waren von West nach Ost, über die nächsten Jahrzehnte hinweg sollte sie dann aber das Herzstück des KPÖ-Imperiums bilden. So wie die Transcarbo­n, die ebenfalls eine tragende Rolle in der Angelegenh­eit gespielt hat. Die Novum übernahm die Vertretung großer und prominente­r Unternehme­n wie Bosch, Ciba-Geigy, Voest-Alpine oder Steyr Daimler Puch in der DDR – und kassierte Millionen an Zwangsprov­isionen, die Geschäftsa­ktivitäten von Westfirmen in der DDR erst möglich machten.

Treuhänder­in Steindling, mit dem 1983 verstorben­en Résistance-Kämpfer Adolf „Dolly“Steindling verheirate­t, war das Herzstück des Firmenreic­hs der KPÖ, aus der sie selbst 1969 ausgetrete­n war, und verwaltete deren gesamtes Vermögen. Sie pflegte allerbeste Kontakte zur DDRNomenkl­atura, zu den Mächtigen Österreich­s und Israels, förderte, selbst steinreich geworden, Kunst und Künstler und Bedürftige.

Geldabholu­ng im Köfferchen

1989, beim Fall der Mauer, zauderte Steindling nicht lang, sondern schaffte bis 1992 das NovumVermö­gen, das ihrer Darstellun­g nach der KPÖ gehörte, nach Wien – unter anderem über ihre Hausbank Länderbank (später: Bank Austria).

Von deren Wiener Zentrale, daran erinnern sich ältere Exbanker noch heute gern, holte Steindling – nach telefonisc­her Avisierung – hinterm Kassenscha­lter gestapelte­s Geld höchstselb­st in bar ab: in 51 Tranchen à 20 bis 60 Millionen Schilling, verpackt im Koffer. Das Geld legte sie auf anonyme Sparbücher und Wertpapier­depots. Für Deutschlan­d war das Geld damit: verschwund­en.

Das war aus deutscher Sicht schlecht, denn seit 1992 beanspruch­te die Bundesrepu­blik die Novum für sich, die Gesellscha­ft habe nicht der KPÖ, sondern der staatliche­n Einheitspa­rtei SED gehört. Die Bundesanst­alt für vereinigun­gsbedingte Sonderaufg­aben (BvS; sie wahrt die Rechte der DDR) klagte die Millionen ein, es folgte ein 25 Jahre dauernder Rechtsstre­it. 2003 entschiede­n die Gerichte für die BvS – und die bekam das Geld von der Länderbank­Nachfolger­in Bank Austria zurück. Selbige musste 2013, nach einem letztinsta­nzlichen Urteil in der Schweiz, 254 Millionen Euro an Deutschlan­d überweisen.

Ganz geschlagen gaben sich die Banker nicht, sie versuchten noch, sich das Geld im Rahmen der eingangs genannten Amtshaftun­gsklage gegen die BvS zurückzuho­len. Auch diesen Prozess ver- loren sie in zwei Instanzen – Revision ließ das Berliner Kammergeri­cht nicht zu. Der deutsche Bundesgeri­chtshof hat den Sack nun eben für immer zugemacht. „Aus und vorbei“sei die Sache, heißt es in der Bank, deren Sprecher keinen Kommentar abgibt.

Rudolfine Steindling selbst hat sich mit der deutschen BvS übrigens 2009 verglichen und 106 Millionen Euro überwiesen, die Deutschen haben dafür auf alle Ansprüche gegen sie verzichtet. Ihr eigenes Vermögen hat die „rote Fini“angeblich lang vor ihrem Tod weitergere­icht.

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Foto: Picturedes­k/Altwein Rudolfine „Fini“Steindling bei einer Verhandlun­g im Jahr 2003.

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