Brisanter Poker der Türkei bei Waffendeal mit Russland
Kauf von russischem Luftabwehrsystem würde Beziehungen zu anderen Nato-Mitgliedern massiv belasten
Der Preis ist hoch: 500 Millionen Dollar will Russland für eine S400-Division, das modernste russische Luftabwehrsystem, von der Türkei haben. Nach Angaben der Nachrichtenagentur RBK, die sich auf eine Insiderquelle aus dem Kreml beruft, geht es derzeit in den Verhandlungen, die sich „im Endstadium“befinden, um insgesamt vier Raketenkomplexe. Das entspräche einem Gesamtwert von zwei Milliarden Dollar.
Allerdings gibt es weder beim Preis noch bei der Stückzahl bisher Einverständnis. „Die Türkei kann sich das nicht leisten, sie müsste einen Kredit bei Russland aufnehmen. Und so abhängig will Ankara von Moskau nicht werden“, sagte der Informant.
Das Thema militärisch-technische Zusammenarbeit wurde auch beim jüngsten Treffen zwischen Wladimir Putin und Tayyip Erdogan in Sotschi „positiv“besprochen, erzählte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow kürzlich.
Hoher politischer Preis
Die Türkei kann das Waffensystem gut gebrauchen: Katjuschas der Terrormiliz „Islamischer Staat“(IS) landen ab und zu auch in türkischen Städten. Doch Ankara muss nicht nur den finanziellen, sondern auch den politischen Preis bedenken. Der Kauf stellt die Beschaffungsdisziplin der Nato infrage. Allgemein kaufen die Mitglieder ihre Waffen nur bündnisintern ein. Der Kauf russischer S400 würde die derzeit ohnehin angespannten Beziehungen zur Nato weiter strapazieren.
Der Leiter des Moskauer Zentrums für moderne Türkeiforschung Juri Mawaschew schätzt die Wahrscheinlichkeit eines tatsächlichen Vertragsabschlusses daher nur auf 30 Prozent ein. Ähnlich kommentiert das auch Alexander Schumilin vom NahostZentrum des Instituts für US- und Kanadaforschung: Er sieht ein „politisches Spiel“Ankaras, um der Nato zu demonstrieren, dass man Alternativen habe.
Die Türkei pokert freilich hoch: Von Russland fordert sie beim Verkauf auch einen Technologietransfer und sogar die Gemeinschaftsproduktion einzelner Komponenten des Waffensystems – woran Moskau kein Interesse hat.
Andererseits ist sich der Kreml durchaus der politischen Tragweite bewusst. Um die Nato zu schwächen, könnte man punktuell einlenken. Dann müsste Ankara entscheiden, ob der Waffendeal mit Moskau so verlockend ist, um die Beziehungen mit Brüssel endgültig zu ruinieren. Angesichts der Entfremdung, die sich derzeit zwischen der Türkei und dem Westen vollzieht, wäre die Wahl zugunsten der Nato zweifelhaft.