Trumpcare: Ein Sieg mit vielen Verlierern
Gesundheitsreform des US-Präsidenten muss noch den Senat passieren
ANALYSE: Es war, als hätte eine Fußballmannschaft einen Pokal gewonnen. Die Stimmung ließ an eine Umkleidekabine denken, in der die Sektkorken knallen. Mittendrin Donald Trump, der Kapitän, der wie so oft seine eigene Leistung in den Vordergrund stellte. Da gebe es Leute, die ihm geraten hätten, er müsse noch üben, sagte er im Rosengarten des Weißen Hauses. Nun habe er die Besserwisser eines Besseren belehrt.
Tatsächlich hat Trump ein Gesundheitsgesetz durchs Repräsentantenhaus geboxt, das noch vor sechs Wochen als so gut wie gescheitert galt. Die Flügel der Partei schienen heillos zerstritten: hier die Tea Party, die Subventionen noch rigoroser streichen wollte als vorgesehen, dort gemäßigte Konservative, denen zu weit ging, was gestrichen werden sollte.
Dass sich beide Fraktionen doch noch auf Kompromisse einigten, erklärt die Partystimmung im Rosengarten. Zwar hat Trump nur eine Etappe gewonnen, im Senat könnte das Paragrafenwerk scheitern; dass er dennoch voller Euphorie ist, liegt daran, dass er erstmals einen parlamentarischen Sieg vorweisen kann. Einen Sieg mit vielen Verlierern.
Der American Health Care Act, so der offizielle Titel der Antireform, wickelt vieles wieder ab, was 2010 mit Barack Obamas Reform beschlossen wurde – die einen Versuch darstellte, sich dem anzunähern, was in anderen In- dustrieländern selbstverständlich ist: Krankenversicherungen für alle. Dank Obamacare konnten sich rund 20 Millionen Menschen erstmals eine Polizze leisten. Nach Schätzungen des Kongresses könnten bis 2026 nun 24 Millionen ihren Schutz wieder verlieren.
Jede Menge Kürzungen
Bei Medicaid, dem steuerfinanzierten Gesundheitsprogramm für Leute mit niedrigem Einkommen, wird die Axt angelegt: Im Lauf der nächsten Dekade sollen die Zuschüsse um 880 Milliarden Dollar sinken. Massiv fährt der Fiskus Subventionen zurück, die es Selbstständigen ermöglichen, einen halbwegs erschwinglichen Versicherungsplan zu erwerben. Zudem entfällt ein unpopuläres wie unverzichtbares Instrument von Obamacare: Um zu verhindern, dass junge, gesunde, gut ver- dienende Amerikaner der Solidargemeinschaft fernblieben, wurden sie mit Steueraufschlägen zur Kasse gebeten, falls sie sich nicht versicherten. Nach Trumps Skizze ist die Strafe passé, was absehbar zur Folge hat, dass die Solidargemeinschaft schrumpft. Damit dürften die Prämien für Alte und chronisch Kranke steigen, in manchen Fällen auf realistisch nicht mehr bezahlbare Summen.
Schließlich sollen die fünfzig Bundesstaaten künftig entscheiden, ob sie Anbieter zwingen, Patienten mit teuren Vorerkrankungen wie etwa Krebs zu ähnlichen Konditionen aufzunehmen wie Leute, denen nichts fehlt. Der Passus holte erzkonservative Skeptiker an Bord, während ein Trostpflaster die Moderaten im Boot halten sollte: Die Regierung segnete eine zusätzliche Finanzspritze ab, acht Milliarden Dollar, um chronisch Kranke zu entlasten.
Nach Ansicht von Kritikern sei dies eine lächerlich geringe Summe. Es laufe darauf hinaus, Krebspatienten mit Hustensaft zu behandeln, spitzt es der New Yorker Senator Chuck Schumer zu.
Fazit: Auf Alte, Arme und Kranke kommen ungemütliche Zeiten zu, wobei es sich gerade im Milieu der weißen Arbeiterschaft oft um Menschen handelt, die Trump gewählt haben. Schon deshalb hoffen die Demokraten auf einen Akt verspäteter Rache. Mit der Rotstiftnovelle steigen vielleicht ihre Chancen, den Republikanern bei der Kongresswahl im Herbst 2018 die Mehrheit abzunehmen.