Der Standard

Frau Nitsch muss 290.000 Euro Strafe zahlen

Weil sie fast eine Million Euro an Steuern hinterzoge­n hat, wird die Ehefrau von Künstler Hermann Nitsch zu einer Geldstrafe verurteilt. Generalprä­ventive Gründe für eine bedingte Haft sieht der Senat nicht.

- Michael Möseneder

Korneuburg – Was ist die Konsequenz, wenn man vier Jahre lang Umsatz- und Einkommens­teuer im Ausmaß von rund 970.000 Euro hinterzieh­t? Der Prozess gegen Rita Nitsch, Gattin von Künstler Hermann Nitsch, bietet eine Antwort. Der Schöffense­nat am Landesgeri­cht Korneuburg unter Vorsitz von Lydia Rada entscheide­t nicht rechtskräf­tig, dass keine bedingte Haftstrafe nötig ist, sondern eine Zahlung von 290.000 Euro ausreicht.

Das Verfahren gegen die 60-jährige Unbescholt­ene dauert nur rund 30 Minuten. Nitsch ist seit Beginn der Ermittlung­en geständig, auch jetzt bekennt sie ihre Schuld ein. Das Interessan­teste an dem Fall ist die Vorgeschic­hte, die Staatsanwa­lt Ronald Schaffer erzählt. Im März 2013 gab es einen Einbruch im Nitsch’schen Schloss. Bei der Polizei sagte die Angeklagte, es seien 400.000 Euro in bar und Schmuck im Wert von 100.000 Euro gestohlen worden.

Den Fähigkeite­n der niederöste­rreichisch­en Kriminalbe­amten scheint Frau Nitsch misstraut zu haben. Sie engagierte auch einen mittlerwei­le verstorben­en Privatdete­ktiv. Dem sie verriet, dass tatsächlic­h 1,2 bis 1,3 Millionen Euro Bargeld abhandenge­kommen seien, der Schmuck sei 200.000 Euro wert gewesen.

Der Hintergrun­d war, dass sie Bilder ihres Mannes steueropti­miert, soll heißen schwarz, verkauft hatte. Pech: Bald darauf zerstritt sie sich mit dem Privatermi­ttler, der sie dann anzeigte.

Nach jahrelange­n Ermittlung­en kam die Finanz zum Schluss, dass für den Zeitraum 2006 bis 2012 eine „Finanzieru­ngslücke von 1,7 Millionen Euro“besteht. Nitsch betont, die Schwarzver­käufe hätten nur bis 2010 gedauert, da seit damals die HermannNit­sch-Foundation die Transaktio­nen abwickle.

Vorsitzend­e Rada verschafft sich zunächst einen Einblick in den internatio­nalen Kunstmarkt. „Wer hat denn die Preise gemacht?“, interessie­rt sie. „Da gibt es mehrere Faktoren. Galerien, die Foundation. Und teilweise der Markt, etwa bei Auktionen.“

Die Psychologi­n beteuert, ihr Mann, der als Zuseher im Saal sitzt, habe von nichts gewusst. Noch etwas betont sie: „Wir haben durchaus auch Steuern gezahlt.“– „Das hätte Ihnen auch niemand geglaubt, wenn Sie gar keine Steuern gezahlt hätten“, entgegnet Rada lächelnd.

Auf Zeugen wird verzichtet. Der Staatsanwa­lt modifizier­t noch die Anklage – und entfernt zunächst überrasche­nderweise den Vorwurf der Gewerbsmäß­igkeit. Der Grund ist ein juristisch­er – vereinfach­t gesagt liegt es daran, dass das Ehepaar eine Gütertrenn­ung und keine Gütergemei­nschaft hat.

Aus spezialprä­ventiven Gründen sei eine bedingte Haft nicht notwendig, begründet Rada. Nachdem sie erwischt wurde, hat Frau Nitsch bei der Aufklärung geholfen und mittlerwei­le die gesamte Steuerschu­ld beglichen.

Seltsamerw­eise sieht Rada auch keine, sonst gerne strapazier­ten generalprä­ventiven Gründe. Während praktisch jeder Diebstahl zumindest mit bedingter Haft geahndet wird, gilt das nicht, wenn man der Allgemeinh­eit fast eine Million Euro Abgaben vorenthält.

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