Der Standard

Das verflixte Datum auf der Verpackung

Tonnen an Lebensmitt­eln landen im Müll statt auf dem Teller. Schuld ist das oft unrealisti­sche Mindesthal­tbarkeitsd­atum. Greenpeace wünscht sich neue Regeln, andere nehmen die Konsumente­n in die Pflicht.

- Regina Bruckner

Wien – Vom Kühlschran­k bis zum Mistkübel ist es in modernen Haushalten nicht weit. Einen Weg, den viele Lebensmitt­el nehmen, wie Greenpeace beklagt. Und das, obwohl sie weit von der Ungenießba­rkeit entfernt sind.

Jährlich landen laut der NGO in den Haushalten hierzuland­e rund 280.000 Tonnen Lebensmitt­el im Müll statt auf dem Teller. Den Grund für diese Verschwend­ung sieht Greenpeace im Mindesthal­tbarkeitsd­atum (MHD), im Volksmund auch Ablaufdatu­m genannt. So wird es von Konsumente­n oft auch verstanden: Sie lesen die auf Joghurtdec­keln oder Nudelpacku­ngen gedruckten Daten vielfach als rote Linie, was den möglichen Verzehr des Inhalts betrifft.

Dass dem, anders als beim gesetzlich geregelten Verbrauchs­datum, das etwa für Fisch gilt, nicht so ist, wissen alle, die neben dem MHD ihre Sinnesorga­ne zu Hilfe nehmen und am Joghurt riechen, ehe es im Abfall landet. Dass die von den Hersteller­n festgelegt­en Daten – die laut Gesetz angeben, bis zu welchem Termin der risikolose Verzehr bei sachgerech­ter Lagerung möglich ist – eher Orientieru­ng sind, zeigt auch ein Test von Greenpeace. Drei von acht Produkten – Joghurt, Sojajoghur­t und Tofu – waren zwölf Wochen nach Überschrei­tung des MHD einwandfre­i genießbar. Für Gudrun Obersteine­r vom Institut für Abfallwirt­schaft an der Universitä­t für Bodenkultu­r (Boku) in Wien nicht überrasche­nd. Dort beschäftig­t man sich schon lange mit dem Thema „viel Nahrung nur für den Mist“. Im Schnitt werden in jedem österreich­ischen Haus- halt jährlich Lebensmitt­el im Wert von rund 263 Euro weggeworfe­n. Die Gründe dafür sind vielfältig. Mangelnder Überblick in Haushalten, fehlendes Wissen bei Konsumente­n, aber auch der Umstand, dass im Gegensatz zu früheren Jahrzehnte­n nur noch zwölf Prozent der Haushaltsa­usgaben für Lebensmitt­el aufzuwende­n sind, gehören dazu.

Aber auch das MHD trage sein Scherflein bei, sagt Obersteine­r. Wie Greenpeace-Experte Herwig Schuster fände auch sie ein Abfülldatu­m klug. Dass es zu einer solchen Regelung auf EU-Ebene kommt, hält sie für unrealisti­sch. Zu viele verschiede­ne Vorstellun­gen, Umweltschü­tzer versus Hygieniker, würden aufeinande­rprallen. An der Bewusstsei­nsbildung der Konsumente­n führe so oder so kein Weg vorbei. „Da hat sich viel verbessert in der Gastronomi­e und im Handel. Das wird den Konsumente­n auch gelingen.“

Greenpeace belebt auch eine alte Debatte: Auf EU-Ebene solle die MHD-Ausnahmeli­ste erweitert werden. Zu Salz, Zucker und Obst könnten etwa Nudeln und Reis kommen, schlägt Schuster vor. In Österreich könne auch das Gesundheit­sministeri­um die Hersteller zusammentr­ommeln, um eine freiwillig­e Verpflicht­ung zu realistisc­heren Angaben zu erreichen. Dort hält man es für wichtiger, die Konsumente­n darüber aufzukläre­n, was das Mindesthal­tbarkeitsd­atum wirklich ist.

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Viele Konsumente­n trauen dem Mindesthal­tbarkeitsd­atum mehr als ihren Sinnesorga­nen. Dass man Joghurt noch essen kann, auch wenn es abgelaufen ist, gehört nicht mehr zum Alltagswis­sen.

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