Der Standard

Flüchtling­skosten bremsen Schuldenbr­emse aus

Heuer verlangt die Ende 2011 trotz massiver Kritik beschlosse­ne nationale Schuldenbr­emse erstmals ein Nulldefizi­t. Doch das Herausrech­nen von Flüchtling­skosten dürfte dafür sorgen, dass grundsätzl­ich paktierte Strafzahlu­ngen ausbleiben.

- Andreas Schnauder

Wien – Es waren brisante Zeiten Anfang Dezember des Jahres 2011 in Österreich und Europa. Griechenla­nd, Irland und Portugal mussten in der Schuldenkr­ise bereits aufgefange­n werden, ein Dominoeffe­kt drohte Spanien und Italien mitzureiße­n. Österreich wurde wegen des großen Osteuropae­ngagements der Banken immer noch kritisch beäugt. Die Ratingagen­tur Standard & Poor’s drohte allen Euroländer­n die Herabstufu­ng der Bonitätsno­ten. Wien wachte auf: Eine Schuldenbr­emse sollte das Vertrauen der Investoren wiederhers­tellen.

Kein leichtes Unterfange­n, immerhin warnten SP-Gewerkscha­fter vor einem „Kaputtspar­en“. Letztlich passierte die Schuldenbr­emse am 7. Dezember den Na- tionalrat (mit einigen Enthaltung­en auf SPÖ-Seite). Die angestrebt­e Zustimmung von Opposition­sparteien scheiterte trotz eines ebenso seltenen wie umstritten­en Appells des damaligen Bundespräs­identen Heinz Fischer, das Instrument – wie auch von der Regierung gewünscht – in der Verfassung zu verankern.

Im Jahr 2017 sind die damaligen Querelen Geschichte, die Schuldenbr­emse wird gerade zur Gegenwart. Denn heuer muss der Haushalt ausgeglich­en sein. Besser gesagt: Müsste, denn die Vorgaben werden deutlich verfehlt. Die Schuldenbr­emse sieht vor, dass der Gesamtstaa­t höchstens ein strukturel­les, um Konjunktur­effekte bereinigte­s Defizit von 0,45 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s einfahren darf. Laut Stabilität­sprogramm wird die Republik diesen Wert erst 2019 annähernd erreichen und heuer ein Minus von 0,9 Prozent verzeichne­n.

Doch ein Passus dürfte aus der Patsche helfen, der bereits auf EUEbene geltend gemacht wurde: Ausnahmen für Flüchtling­s- und Terrorkost­en. Brüssel hat akzeptiert, dass diese Sonderkost­en 2016 und 2017 ausgeklamm­ert werden. Betreffend die nationale Schuldenbr­emse könnte nun ähn- lich vorgegange­n werden. „Im Falle von Naturkatas­trophen oder außergewöh­nlichen Notsituati­onen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträch­tigen“, werden Abweichung­en von den Vorgaben hingenomme­n, heißt es im Gesetz. Praktisch: Bei der Beurteilun­g, welche Ausnahmen anerkannt werden, hält sich Österreich an die Einschätzu­ng der EU. Somit ist absehbar, dass die Flüchtling­skosten von 0,34 Prozent des BIP abgezogen werden. Damit wäre der Zielwert fast erreicht.

Bleibt dennoch eine Lücke, ist immer noch für Spielraum gesorgt. Die Defizitabw­eichungen werden wie eine Lastschrif­t auf einem „Kontrollko­nto“addiert, bis eine Summe von 1,25 Prozent erreicht wird. Dann ist Schluss; Strafzahlu­ngen werden fällig, die jene Gebietskör­perschafte­n erhalten, die die Vereinbaru­ng erfüllt haben. Übrigens: Für Standard & Poor’s war die Schuldenbr­emse nicht überzeugen­d. Kurz nach Beschluss war die Bestnote AAA weg – und ist es bis heute.

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Auf leisen Sohlen ausgebrems­t: Die Schuldenbr­emse greift dank einiger Schlupflöc­her nicht wirklich.

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