Der Standard

Im Altersheim herumhänge­n

- Sebastian Fellner

Gleich zu Beginn ist klar: Bei einem Toten wird es nicht bleiben. Rückwärts und in Zeitlupe beobachten wir Kommissar Hanns von Meuffels (Matthias Brandt) bei der Serienleic­henbeschau am Tatort am Ende vom Nachtdiens­t bei Polizeiruf 110 am Sonntag, 20.15 Uhr, ARD.

Der Tatort, das ist ein Seniorenwo­hnheim, aus dem die demente Elisabeth Strauß (Elisabeth Schwarz) am Abend zuvor ausgerisse­n ist, um darauf per zechgeprel­lten Taxler bei von Meuffels zu landen und ihm von einem Mord zu erzählen. Der Kommissar merkt, dass die 80Jährige alles andere als eine zuverlässi­ge Zeugin ist, folgt aber seinem Gespür und der verwirrten Dame in ihre Seniorenre­sidenz. Dort stößt er auf immer mehr Ungereimth­eiten. Auch beim tatsächlic­h aufgetrete­nen Todesfall und nicht nur was die Zustände im heillos unterbeset­zten Heim betrifft, dessen entrische Tristesse so packend abgebildet wird, dass man den Geruch von Desinfekti­onsmittel und Erwachsene­nwindeln noch Stunden nach dem Krimi in der Nase zu spüren vermeint.

Ein bisschen möchte man dem Pfleger zustimmen, der von Meuffels fragt, ob er denn nichts Besseres zu tun habe als die ganze Nacht im Altersheim herumzuhän­gen, bis die Kripokolle­gen wiederkomm­en; gleichzeit­ig ist die Nacht in Spielfilml­änge alles andere als langatmig. Auch dank der subtilen Komik, die die teils verwirrten Bewohner bringen – ohne jemals die Tragik des verfallend­en Geistes auszublend­en. Den Höhepunkt der Trostlosig­keit nimmt der Chefpflege­r aus einem Schrank und stellt ihn auf den Nachttisch eines eben Verstorben­en: Es ist ein Totenlicht – dessen LED-Flamme der Pfleger mit dem Schalter auf der Unterseite anknipst.

Interview mit Matthias Brandt S. A 3 pderStanda­rd. at/TV-Tagebuch

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