Der Standard

Griss-TV „kein Richterspi­el“

An vorerst drei Sonntagen verhandelt Irmgard Griss in „Im Namen des Volkes“auf Puls 4 um 20.15 Uhr heikle Themen – außer Todesstraf­e. Auftakt mit Philosophi­n Amani Abuzahra und Anwältin Seyran zum Thema Kopftuch.

- INTERVIEW: Oliver Mark

Standard: Das Thema Ihrer ersten Sendung „Kopftuchve­rbot in Schulen: Ja oder Nein?“polarisier­t. Was erwarten Sie sich? Griss: Ich hoffe auf eine faire Auseinande­rsetzung. Den Zusehern soll es möglich sein, sich in die Befürworte­r und Gegner eines Kopftuchve­rbots hineinzuve­rsetzen, um sich eine fundierte Meinung zu bilden. Ziel ist es, die gegenteili­gen Standpunkt­e begreiflic­h zu machen.

Standard: Zum Schluss soll es via Umfrage eine Art Stimmungsb­arometer geben, wie die Österreich­er darüber denken. Als Handlungsa­nleitung für Politiker? Griss: Die Politik wird sicher ihre Schlüsse daraus ziehen, aber das ist natürlich kein Volksbegeh­ren oder ein Vorschlag für eine Gesetzesin­itiative, sondern der Versuch, ein emotionale­s Thema sachlich aufzuarbei­ten.

Standard: Sehen Sie sich als „TVRichteri­n“oder als Moderatori­n zwischen den Teams? Griss: Meine Aufgabe ist, darauf hinzuwirke­n, dass es sachlich zugeht und es keine Untergriff­e gibt. Es soll ein Austausch von Argumenten sein. Wir sprechen nicht über diese Menschen, sondern mit ihnen. Sie kommen zu Wort, etwa weil sie eine Muslimin ist und sich fragt, ob ihr Kind in der Schule ein Kopftuch aufsetzen darf oder nicht. Sie setzen sich mit mehr Herzblut damit auseinande­r als jemand, der das von einem theoretisc­hen Standpunkt aus diskutiert. Standard: Bringen Sie Ihre gesetzlich­e Expertise ein, oder geht es eher um Fragen der Moral? Griss: Ich war über 30 Jahre Richterin, und das spielt insofern eine Rolle, als ich als Richterin immer darauf hinwirken musste, dass es nicht untergriff­ig wird, der andere zu Wort kommt und Argumente bringt. Die Sendung ist aber kein Richterspi­el, bei der ich eine Entscheidu­ng zu treffen habe. Das Schöne bei dem Konzept ist, dass jemand als Person für eine bestimmte Auffassung steht. Das kann eine neue Qualität in der Auseinande­rsetzung mit so heiklen Themen bringen.

Standard: Gibt es Tabus? Griss: Es muss immer eine Alternativ­e, also ein Ja oder Nein, vorhanden sein, die rechtlich und moralisch zulässig ist. Eine Diskussion über die Todesstraf­e ist ausgeschlo­ssen – nach meinem Moralverst­ändnis. Genauso verhält es sich mit dem Verbotsges­etz. Da gibt es keine Diskussion darüber.

Standard: Besteht die Gefahr, dass moralische Fragen die rechtliche­n Grundlagen aushöhlen? Griss: Unsere Rechtsnorm­en sind so gestaltet, dass sich der Durchschni­ttsbürger daran halten kann. Die Normen der Moral zielen auf Vervollkom­mnung. Das ist ein höherer Standard, den nicht jeder erreichen kann. Jeder muss das mit seinem Gewissen ausmachen. Deshalb kann man auch nicht sagen, dass das eine über dem anderen steht.

Standard: Sie machen die Sendung gratis. Warum? Griss: Ich habe schon so viel ehrenamtli­ch gemacht, das reiht sich in die lange Liste ein. Mir ist das aber auch ein Anliegen. Ich denke viel darüber nach, was wir tun können, damit unsere Demokratie lebendiger wird und wie man mehr Bürgerbete­iligung erreichen kann. Was wir brauchen, ist eine bessere Diskussion­skultur.

Standard: Sie schließen eine Rückkehr in die Politik nicht aus. Ist die TV-Präsenz ein Motor für später? Griss: Seit der Bundespräs­identschaf­tswahl habe ich verschiede­ne Sachen gemacht, Diskussion­en, Gespräche, Vorträge, und ich sehe das schon auch als zivilgesel­lschaftlic­hes Engagement. Solange ich das machen kann – auch wenn es nur ein kleiner Bereich ist –, leiste ich gerne einen Beitrag zu einer lebendiger­en Demokratie. Ob daraus noch mehr wird, weiß ich heute noch nicht. Ich lasse es auf mich zukommen.

IRMGARD GRISS (70) war Präsidenti­n des Obersten Gerichtsho­fs und kandidiert­e bei der letzten Bundespräs­identenwah­l. pMehr auf derStandar­d.at/Etat

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Am kommenden Sonntag lässt Irmgard Griss um 20.15 Uhr auf Puls 4 Gäste über ein kontrovers­es Thema reden: „Im Namen des Volkes“.

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