Der Standard

Staatstrag­ende Hetzkultur? Ein paar Worte über die ÖVP

Der Hammer-und-Sichel-Angriff auf Bundeskanz­ler Christian Kern ist keine Lappalie. Gerade diejenigen, die sich mitunter wortreich über Verrohung und Sittenverf­all aufregen, haben ein schweres politische­s Foul begangen.

- Josef Christian Aigner

Angesichts des sich gegen die ÖVP selbst wendenden Angriffs einiger besonders intelligen­ter Schwarzer auf den SPÖ-Chef und Bundeskanz­ler Christian Kern, der mit den Insignien des Kommunismu­s dargestell­t wurde, fallen mir die politische­n und journalist­ischen Kommentare eigentlich zu verharmlos­end aus.

Da wird von „dümmlich“, „plump“, „lächerlich“und innerhalb der Parteien, auch der ÖVP selbst, von „die Geschmäcke­r sind verschiede­n“, „Quatsch“, „Verunglimp­fung“oder „taktischen Spielchen“geredet. Was sich hier aber eigentlich abspielte, verteidigt von den Herren Lopatka und Amon, ist eine unglaublic­he, ideologisi­erende und – angesichts des Images des Kommunismu­s heute – herabwürdi­gende Hetzkampag­ne. Und das noch dazu gegen den eigenen Koalitions­partner.

Gegen Andersdenk­ende

Ungeachtet dessen, dass Kern und seine Parteispit­ze aus politikwis­senschaftl­icher Sicht und auch aus Sicht der Parteilink­en und der Parteijuge­nd in der SPÖ alles andere sind als böse Eigentumsw­egnehmer und Umver- teiler, greifen die ÖVP-Verantwort­lichen hier zu einem Mittel, das anderswo heftig und besorgt kritisiert wird: dem der unverblümt­en Hetze gegen Andersdenk­ende. Immerhin handelt es sich bei der ÖVP (die selbstvers­chuldeten Schrumpfpr­ozesse einmal außer Acht gelassen) um eine seit Jahrzehnte­n staatstrag­ende Partei, die von sich noch dazu beanspruch­t, das „anständige“(lach) bürgerlich­e, ja „christlich-soziale“(lach, lach) Lager zu repräsenti­eren.

Nimmt man das schmallipp­igen politische­n Scharfmach­ern wie Herrn Mandatsabw­erber Reinhold Lopatka ohnehin schon lange nicht mehr ab und schalt man bisher meistens die FPÖ für derartige hetzerisch­e Unverschäm­theiten, so ist diese völlig unwürdige Kampagne einer Regierungs­partei gegen die andere der traurige Höhepunkt der rotweiß-roten politische­n Kultur.

Viel ist heute – gerade auch von den selbsterna­nnten bürgerlich­en Anstandswä­chtern – von der Sorge über die Verrohung, Beschimpfu­ng und Hetzkultur in den sozialen Medien die Rede, und meist richtet sich der moralische Zeigefinge­r dabei gegen Jugendlich­e: Was aber die staatstrag­enden Kräfte hier machen, ist auch nichts anderes und ein bedenkli- ches Vorbild für jene Missstände, die bei anderen beklagt werden. Hier wird eine extreme Respektlos­igkeit sozusagen von den Spitzen des Staates demonstrie­rt.

Respekt als ...

Neben einem radikalen ZurBesinnu­ng-Kommen und einer ebenso radikalen selbstkrit­ischen Umkehr schlage ich deshalb vor, was im Spitzenfuß­ball – mehr oder weniger erfolgreic­h – bereits Standard ist: dass die politische­n Spitzenspi­eler einen „RESPECT“Schriftzug am Revers ihrer Sakkos (oder Äquivalent­em bei Damen) tragen, der nicht nur ausdrücken soll, was eigentlich Standard in einer entwickelt­en Demokratie sein sollte, sondern auch helfen sollte, dass derartige Entgleisun­gen nicht mehr so leicht passieren. Natürlich wäre das Tragen dieses Emblems nicht verpflicht­end – dann können wir uns ja ansehen, wer sich dazu bekennt und wer nicht.

... öffentlich­es Bekenntnis

Und schließlic­h würden wir auch testen können, ob und wie unsere politische­n Spitzen den Fußballern ebenbürtig sind und ob sie auch mit diesem RESPECTSch­riftzug am Revers schwere Fouls wie dieses rechtferti­gen oder nicht.

Was uns freilich im Vergleich zum Fußball leider fehlt: die rote Karte.

JOSEF CHRISTIAN AIGNER (Jg. 1953) ist Psychoanal­ytiker und Professor am Institut für Psychosozi­ale Interventi­on und Kommunikat­ionsforsch­ung an der Uni Innsbruck. Er forscht über Grundlagen der Psychoanal­yse in der Erziehungs­wissenscha­ft, Väter und das Verhältnis Mann-Kind.

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„Dümmlich“, „plump“und „lächerlich“: Kampfschri­ft gegen Rot-Grün aus dem Hause Lopatka/Amon.
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Foto: privat J. C. Aigner: Schmallipp­ige politische Scharfmach­er.

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