Der Standard

Selbstdemo­ntage

- Stefan Brändle

Marine Le Pen hat sich in dem entscheide­nden TVStreitge­spräch der französisc­hen Präsidents­chaftskamp­agne am Mittwochab­end aller Voraussich­t nach selbst aus dem Rennen geschossen. Zumindest sanken ihre Umfragewer­te gleich danach auf unter 40 Prozent, zugunsten von Emmanuel Macron, der 63 Prozent auf sich verbuchen konnte. Doch nicht erst seit der Wahl von Donald Trump in den USA ist die Vorsicht die Mutter aller Prognosen – zumal Le Pen in gewisser Hinsicht nur ein Symptom für all die Probleme Frankreich­s ist, die viele Wähler in ihre Arme treiben.

Sicher ist, dass Le Pen zum Ende des Wahlkampfe­s hin Selbstdemo­ntage betrieben hat. Die geschickte Strategie von Salonfähig­keit scheiterte, als sie die Maske hat fallen lassen – und plötzlich gleicht sie ihrem Vater Jean-Marie doch sehr stark. Psychologe­n werden sich sicher einmal mit dem „Fall Marine“befassen, um die selbstdest­ruktiven Kräfte zu analysiere­n, die Le Pen dazu bewogen, ihre monatelang­en Wahlkampfb­emühungen in einer einzigen TVDebatte zunichtezu­machen.

Extremiste­n erledigen sich oft von selbst. Das ist das Beruhigend­e für die Demokratie. Beunruhige­nd bleibt, dass die tieferen Ursachen des „Symptoms Le Pen“nicht von selbst verschwind­en werden. Auch Frankreich krankt an sich selbst. Der neue Präsident muss die Nation auf Kurs bringen – mit charmantem Lächeln allein wird das nicht gelingen.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria