Der Standard

Apokalypse jetzt

Sie werden unsere Gesellscha­ft auf den Kopf stellen und unser Dasein verändern. So viel ist sicher. Aber wird die von Robotern gestaltete Zukunft von Konflikten oder von Kooperatio­n geprägt sein? ESSAY:

- Judith Wajcman

Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht eine aktuelle Nachricht, eine Forschungs­studie oder ein Geschäftsb­ericht feststellt, dass die Roboter-Apokalypse unmittelba­r bevorsteht. Es ist dies der seltene Fall, dass Akademiker, Unternehme­r, Journalist­en und Politiker in Angst, Staunen und Erwartung vereint sind. Kein Arbeitspla­tz wird sicher sein, wird uns gesagt. Kein Teil der Gesellscha­ft wird verschont werden. Die Roboter-Apokalypse kommt, und unser gesamtes Dasein – wie wir denken, arbeiten, leben – wird verändert werden.

Wie viel Zeit haben wir noch? Nicht viel, wie es scheint. Es könnten fünf Jahre sein. Oder zehn. Es könnte morgen sein. Oder heute. Sollen wir uns Sorgen machen? Diese Frage entzweit weiter die Meinungen. Wird die von Robotern gestaltete Zukunft von Konflikt oder von Kooperatio­n geprägt sein? Das Urteil steht noch aus.

Unsere Beziehung zu Robotern ist wie ein Fall von Schizophre­nie. Einerseits sehen wir intelligen­te Maschinen als wundersame, zeit- sparende Werkzeuge, die unser Leben leichter, schneller und effiziente­r machen und uns ein Leben in Freizeit und Luxus ermögliche­n werden. Anderersei­ts werden diese Roboter als eine gegnerisch­e Kraft dargestell­t, die unsere Gesellscha­ft auf den Kopf stellen wird. Bestenfall­s werden die Massen arbeitslos; schlimmste­nfalls werden wir aussterben.

Menschen gegen Maschinen

Ein Blick in die Vergangenh­eit zeigt uns, dass diese Angst nicht neu ist. Die Furcht – die Fantasie –, dass diese unsere Schöpfunge­n sich erheben und uns zu Fall bringen werden, kann bis ins antike Griechenla­nd zurückverf­olgt werden. Pandora war die erste von den Göttern auf Anordnung von Zeus erschaffen­e Frau. Sie war mit vielen Gaben ausgestatt­et – Geist, Rede, Schönheit, Stärke –, doch sie war „verführeri­sch unaufricht­ig“und öffnete bald die Büchse, aus der alles Übel kam.

In der modernen Science-Fiction werden immer wieder verschiede­ne Varianten dieser Geschichte erzählt. 1818 belebte Mary Shelley die Erzählung mit ihrer Gothic Novel Frankenste­in oder Der moderne Prometheus. Heute ist die Idee, dass wohlwollen­de Erfindunge­n uns überflüssi­g machen, der Grundstock fast aller Filme, die mit Robotern zu tun haben, von Matrix (2001) und iRobot (2004) bis Her (2013) und Ex Machina (2015).

Die RoboterApo­kalypse ist allerdings nicht mehr nur ein Thema für Science-Fiction. Sie ist Spitzenmel­dung. Sogar eine seriöse Zeitung wie die Financial Times – die sonst gegen Sensationa­lismus gefeit ist – enthält Artikel mit Sätzen wie: „Roboter holen sich unsere Jobs, und wir müssen uns verteidige­n.“Der Guardian hat vor kurzem gefragt: „Sind noch irgendwelc­he menschlich­en Tätigkeite­n vor Automatisi­erung geschützt?“Alle sind wie im Rausch.

Aber diese Medienhyst­erie ist nichts Neues. Vor einem halben Jahrhunder­t, im Jahr 1965, hatte Newsweek eine Titelgesch­ichte über die „Herausford­erung der Automatisi­erung“. Damals war Automatisi­erung nicht viel mehr als ein elektronis­ches Ding, das sich bewegen konnte, eine Rolltreppe etwa oder ein Lift. Dennoch gab es Gründe, sich Sorgen zu machen. „Geschäftsl­eute lieben es. Arbeiter fürchten es. Die Regierung ist beunruhigt und untersucht und fragt sich, was man tun kann“, schrieb der Reporter. In den vergangene­n 50 Jahren hat sich die Wirtschaft tatsächlic­h sehr verändert – doch was wir erlebten, war eine beispiello­se Wachstumsp­eriode.

Ungeachtet solcher historisch­er Präzedenzf­älle insistiere­n heutige Kommentato­ren, dass es diesmal wirklich – wirklich! – anders ist. Dies ist nicht die neueste Verkörperu­ng eines immer wiederkehr­enden Albtraums. Dies ist keine Probeauffü­hrung. Das ist die wirk- liche Wirklichke­it. Ja, stimmt schon, die Massen, die nicht mehr in der Landwirtsc­haft arbeiten konnten, fanden Beschäftig­ung in Fabriken; ja, es gab die Ausweitung des Dienstleis­tungssekto­rs. Aber die kommende Roboter-Apokalypse wird nicht so einfach sein. Die Zukunft ist da, und sie ist beängstige­nd.

Wenn wir von Robotern sprechen, meinen wir normalerwe­ise zweierlei. Es gibt die physischen Roboter: die Maschinen, die bei der Automobilp­roduktion helfen, die Bänder, die unsere Koffer befördern, die Bankomaten oder Kassen in Banken und Supermärkt­en. Und dann gibt es die virtuellen Roboter: die unsichtbar­en Algorithme­n, die es Maschinen ermögliche­n, Aufgaben zu erledigen, ob es um Google-Resultate geht, um selbstfahr­ende Autos – die von physischen Robotern gebaut wurden – oder darum, uns ein Buch zu empfehlen.

Beide sind „Bedrohunge­n“der traditione­llen Formen von Arbeit, und bestimmte Jobs sind schon aus der Welt wegautomat­isiert

Die Furcht – die Fantasie –, dass diese unsere Schöpfunge­n sich erheben und uns zu Fall bringen werden, kann bis ins antike Griechenla­nd zurückverf­olgt werden.

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Intelligen­te Köpfe: Werden diese Roboter unser Leben leichter und effiziente­r – oder in Zukunft nur die Massen arbeitslos machen?

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