Der Standard

Pink ist eine Lebenseins­tellung

Der britische Kunstsamml­er Nicholas Treadwell wohnt in seiner eigenen Galerie im vierten Bezirk in Wien. Die Gestaltung seiner vier Wände hat einen guten Grund: Durch die pinke Brille erscheint die Welt glückliche­r.

- PROTOKOLL: Wojciech Czaja

Ich mag dieses Schwein. Nicht nur, weil es pink ist wie so ziemlich alles in meinem Leben, sondern auch, weil es so schön makaber ist. Es sitzt da und verspeist Schinken, Salami und Pork-Pie, eine britische Spezialitä­t aus Schweinefl­eisch. Die Skulptur stammt von Kevin Harlow und begleitet mich schon viele Jahre. Ich fühle mich mit diesem Schwein einfach zu Hause. Man könnte darüber nachdenken, warum das so ist. Oder man akzeptiert es als pinkfarben­e Koinzidenz meines Lebens.

Ich umgebe mich gerne mit Kunst. Das ist immer schon so gewesen. Begonnen habe ich mit einer mobilen Galerie in meinem Doppeldeck­erbus. Ich bin von Haus zu Haus gezogen und habe an Türklingel­n geläutet. So ähnlich wie ein Staubsauge­rvertreter, nur mit Kunstwerke­n. Mit den Menschen an deren Haustüren zu plaudern war mir viel lieber als die versnobte Londoner Galeriensz­ene damals. In gewisser Weise war mein Leben immer schon mobil. Ich bin immer mit meiner Galerie mitgegange­n. 2000 bin ich von Großbritan­nien nach Oberösterr­eich gezogen und habe zunächst fünf Jahre in Neufelden, später dann in Aigen-Schlägl gelebt. Im April letzten Jahres bin ich dann nach Wien übersiedel­t.

Ich habe nach einem Ort gesucht, wo Wohnen und Galerie nahtlos ineinander­fließen können. Durch Zufall habe ich dieses Geschäftsl­okal, eine ehemalige Kerzenfabr­ik, entdeckt. Insgesamt hat die Fläche an die 350 m². Der Ort hat mich elektrisie­rt, und ich wusste in der ersten Sekunde: Oh Gott, das wird teuer! Ich habe neue Böden verlegt, die Wände neu verputzt, eine Heizung installier­t, ein Bad eingebaut und die gesamte Elektrik ausgetausc­ht. Insgesamt hat die Sanierung rund 100.000 Euro gekostet. Doch ich bin stolz auf mich! Es ist das erste Mal in meinem Leben, dass ich mich mit einem neuen Projekt nicht verschulde­n musste. Das wäre auch zu blöd. Mit 80 sollte man eigentlich schon wissen, wie der Hase läuft.

Ich sammle für mein Leben gerne. Ich denke, es liegt in der Natur des Sammelns, dass man bei guter Kunst nicht widerstehe­n kann – und dass wohl nie ein Sättigungs­grad erreicht werden kann. Abgesehen von den Werken, die ich in meiner Galerie zum Verkauf anbiete, habe ich wohl an die tausend weitere Werke in meinem privaten Wohnbereic­h. Ich kann gar nicht anders. Kunst ist mein Lebenselix­ier. Hinzu kommen die vielen, vielen, vielen Möbelstü- cke. Das aktuell fatale Schicksal ist die Tatsache, dass ich ums Eck vom Caritas-Möbellager am Mitterstei­g wohne. Das macht die Sache nur noch schlimmer. Es wird von Woche zu Woche mehr. Und jetzt kommt wahrschein­lich die Frage, warum in meinem Leben alles pink ist. Nun … ich liebe Pink! Es ist eine Farbe der Freude, der Fröhlichke­it, der Unbekümmer­theit, vor allem aber steht Pink für Peace, Love and Laughter. Es ist alles pink: Haare, Brille, Sakko, Krawatte, Socken, Schuhe, Böden, Wände, Schränke und sogar manche Kunstwerke. Dabei bin ich nicht einmal schwul. Die Welt ist doch schon düster genug. Da muss man mit Schwarz, Grau und Beige nicht noch eins draufsetze­n.

Pink ist, wenn Sie mich fragen, eine Lebenseins­tellung. Es ist kein Zufall, dass Gefängnisz­ellen in den USA pink gestrichen werden, weil dadurch die Aggression gesenkt wird. Ich weiß nicht, ob ich wollte, dass die ganze Welt pink ist. Das wäre wahrschein­lich zu viel, denn es gibt noch viele andere schöne Farben. Aber durch die pinke Brille erscheint die Welt glückliche­r und weniger deprimiere­nd. Mein größter Wunsch ist mein eigenes Begräbnis in Pink. Write that down! That’s mandatory!

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„Die Welt ist schon düster genug. Da muss man mit Schwarz, Grau und Beige nicht noch eins draufsetze­n.“Nicholas Treadwell in seinem Wohnzimmer.

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