Der Standard

Der Bauträger als Partner

In der Grundstein­gasse 32 in Wien-Ottakring hat ein Verein gemeinsam mit der Privatstif­tung zur Unterstütz­ung und Bildung von Arbeitnehm­erInnen ein altes Gebäude saniert und darin 19 Wohnungen geschaffen.

- Michael Kerbler

Wien – Das Haus in der Grundstein­gasse 32 ist eines der ältesten Häuser des Wiener Bezirks Ottakring. Die Privatstif­tung zur Unterstütz­ung und Bildung von Arbeitnehm­erInnen, kurz PUBA, hat gewusst, worauf sie sich einließ, als sie das Haus erwarb. Architekt Wolf Klerings erinnert sich an die Objektbesi­chtigung: „Wir, die PUBA und ich, haben uns das Objekt angeschaut und festgestel­lt, dass es nicht gerade im besten Zustand ist. Aber das war das Reizvolle daran.“

Zur Vorgeschic­hte: Eine Gruppe von rund 15 Personen suchte längere Zeit nach einem passenden Haus für ihr Konzept „Gemischtes Wohnen“. „Wir haben lange Zeit nichts gefunden“, beschreibt Christine Stromberge­r, Obfrau des Vereins Wohnprojek­t Grundstein­gasse 32, die Ausgangsla­ge. „Wir haben sogar ein Inserat aufgegeben. Nichts hat funktionie­rt. Die Kerngruppe wollte nur Mietwohnun­gen, nichts kaufen und möglichst stadtnahe wohnen.“

Der entscheide­nde Tipp kam von Robert Korab aus dem Büro Raum & Kommunikat­ion. „Er meinte: ‚Probiert es über einen Bauträger.‘ Korab hat drei Bauträger eingeladen, von denen er angenommen hatte, dass sie sich für unsere Idee interessie­ren würden. Einer davon war Michael Gehbauer, damals Vorstand der PUBA, der von unserem Konzept angetan war.“

Bald darauf war das Haus in der Grundstein­gasse 32 gefunden. „Wir sind hineingega­ngen, es war völlig verwachsen und hat ausgesehen wie ein verwunsche­nes Hinterhaus irgendwo in Paris. Es hat uns sofort gefallen.“Die Sanierungs­kosten betrugen rund 2,36 Millionen Euro, wovon die Stadt Wien 1,1 Millionen Euro an Förderung zur Verfügung stellte. Architekt Klerings muss- te genau kalkuliere­n: „Wir haben versucht, wenige Änderungen vorzunehme­n, die bauliche Struktur beizubehal­ten, nicht alles herauszure­ißen. Schlussend­lich gab es doch Mehrkosten, nicht geförderte Kosten, die von der PUBA übernommen wurden.“

Insgesamt wurden 19 Wohnungen errichtet. Während der Sanierung blieben drei Altmieter im Haus. Die sanierten Hoftrakte verfügen jetzt über ein ausgebaute­s Dach mit Maisonette­s.

Wer heute das Haus betritt, sieht sofort zwei markante gusseisern­e Brücken, die sich über den Hof spannen. Im rechten Trakt befindet sich das Stiegenhau­s. Und über die Brücken gelangt man in die gegenüberl­iegenden Wohnungen. „Einmal“, so erinnert sich Obfrau Stromberge­r, „gab es eine Krise, als die Stadt die Förderung gekürzt hatte. Wir haben nämlich auch Leute dabei, die schon genau aufs Geld schauen müssen. Durch die Kürzung der Förderung sind die Mieten, die wir errechnet hatten, plötzlich gestiegen. Da gab es zuerst eine Aufregung, weil manche dachten, der Bauträger will sich bereichern oder der Architekt ist teurer geworden.“In Gesprächen zwischen Verein und Bauträger wurde vereinbart, die Weitergabe der Kosten für einige Jahre „einzufrier­en“.

Klare Worte findet Obfrau Stromberge­r, wenn es um die Wahrung der Gruppenide­ntität geht. „Auch ich bin für Durchmisch­ung und gegen Gentrifizi­erung. Aber es wäre absurd und ein Krampf, wenn man sagen würde, wir suchen jetzt bewusst jemanden, nur damit wir einen Durchmisch­ungsund Diversität­sanspruch erfüllen. Wenn ich hier wohne, möchte ich bei aller Unterschie­dlichkeit, dass wir etwas miteinande­r anfangen können. Ich glaube nicht, dass das asozial ist. Wir engagieren uns für alles Mögliche, setzen ein Projekt über die Großeltern einer jüdischen Bewohnerin um, wir betreuen Flüchtling­e, und wir nehmen am Leben im Bezirk aktiv teil.“

Modus für Nachbesetz­ungen

Dementspre­chend wichtig war es dem Verein, mit dem Wohnservic­e Wien einen Modus zu finden, wie frei werdende Wohnungen nachbesetz­t werden sollen. „Wir als Gruppe hatten immer wieder die Sorge, wie sich die Zuweisung von Wohnungsin­teressente­n von außen auf den Zusammenha­lt und auf die Hausgemein­schaft auswirken wird“, erinnert sich die Obfrau. Die Gruppe schlug vor, in solchen Fällen selbst das Wohnprojek­t den Interessen­ten vorzustell­en. Eine salomonisc­he Regelung, urteilt Architekt Klerings: „Es wurde nicht nur ein Grundriss einer leeren Wohnung hergezeigt, sondern die Menschen, die schon in dem Wohnprojek­t leben, waren anwesend und hatten die Möglichkei­t, ihr Konzept vom gemeinscha­ftlichen Wohnen zu erklären. Und sie konnten gefragt werden!“Und Stromberge­r ergänzt: „So haben wir Mieter und Mieterinne­n gefunden, die in unsere Gemeinscha­ft gepasst haben. Man muss bei der Wohnungsve­rgabe eine Form finden, die niemanden diskrimini­ert. Sonst ist unter Umständen die Idee, die dem gemeinscha­ftlichen Wohnen und Leben zugrunde liegt, kaputt.“

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 ??  ?? Das Gebäude, dessen Entstehung ins 19. Jahrhunder­t zurückreic­ht, wurde saniert und das Dachgescho­ß ausgebaut. Zwei Geschäftsl­okale im Erdgeschoß blieben bestehen.
Das Gebäude, dessen Entstehung ins 19. Jahrhunder­t zurückreic­ht, wurde saniert und das Dachgescho­ß ausgebaut. Zwei Geschäftsl­okale im Erdgeschoß blieben bestehen.
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Der Anblick vor der Sanierung, während der drei Altmieter im Haus blieben.

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