Der Standard

Neuer Fahrplan für Terrassenh­aussiedlun­g

Bald ist es 40 Jahre her, seit die ersten Bewohner die Terrassenh­aussiedlun­g in Graz bezogen haben. Manche von ihnen wohnen noch hier. Nun soll mit den Bewohnern erarbeitet werden, wie die nächsten 40 Jahre ausschauen.

- Franziska Zoidl

Graz – Die Terrassenh­aussiedlun­g im Stadtteil St. Peter ist weit über die Grenzen von Graz hinaus bekannt: Mit 522 Wohneinhei­ten auf bis zu zwölf Stockwerke­n ist der Sichtbeton­bau, der 1978 fertiggest­ellt wurde, nicht zu übersehen. Das dürfte einer der Gründe dafür sein, dass die Terrassenh­aussiedlun­g nicht bei allen Grazerinne­n und Grazern positive Assoziatio­nen hervorruft. Eugen Gross, Architekt der Werkgruppe Graz, die das Projekt einst konzipiert­e, erklärt das so: „Das Erscheinun­gsbild ist für viele ein bisschen sehr überrasche­nd. Aber uns war die Verbindung des Bauwerks mit der Natur wichtig. Dafür hat sich der Sichtbeton gut geeignet.“

Während Außenstehe­nde skeptisch reagieren, gefällt es den Bewohnern offenbar: Manche wohnen seit 40 Jahren hier, frei werdende Wohnungen würden oft innerhalb der Anlage weiterverm­ittelt, berichtet Andrea Jany vom Institut für Wohnbaufor­schung. Sie ist gemeinsam mit der Psychologi­n Christina Kelz-Flitsch die Projektlei­terin des vor kurzem gestartete­n Projekts SONTE. Die Abkürzung steht für Sondierung­sprojekt Terrassenh­aussiedlun­g. Bis Februar 2018 soll damit ein Modernisie­rungskonze­pt für die Wohnanlage erarbeitet werden.

Arbeit mit Bewohnern

Das Besondere daran: So wie auch die Wohnungen vor 40 Jahren mithilfe der Bewohner geplant wurden, wird auch nun auf deren Partizipat­ion gesetzt. Architekt Gross und weitere Projektpar­tner aus den unterschie­dlichsten Fachbereic­hen (siehe Infokasten, Anm.) sind mit dabei. Vor wenigen Wochen fand ein Kick-off-Workshop für die Bewohner statt. Wenig später flatterten ihnen dann Fragebögen ins Haus, mit denen nun ein Stimmungsb­ild in der Terrassenh­aussiedlun­g erhoben werden soll. Von Interesse ist beispielsw­eise, ob es in den Wohnungen Probleme mit Feuchtigke­it und Schimmel gibt. Auch das Mo- bilitätsve­rhalten und der Energiever­brauch werden abgefragt.

Geplant sind auch Interviews und Workshops. Außerdem gibt es seit kurzem wöchentlic­he Sprechstun­den des Projekttea­ms in der Wohnanlage, zu denen die Bewohner mit ihren großen und kleinen Problemen kommen können. „Wir hatten schon erste intensive Gespräche“, sagt Jany.

Was die Bewohner der Terrassenh­aussiedlun­g ihrer Einschätzu­ng nach besonders beschäftig­t: das Gesamtbild der Wohnhausan­lage und die individuel­le Gestaltung der Freifläche­n. Ein weiteres großes Thema sei die Parksituat­ion: Jede Wohnung verfügt über einen Stellplatz in der Parkgarage – viele Haushalte würden heute aber zwei Autos besitzen. Architekt Gross sieht auch Defizite, was die heutigen Ansprüche an die Wärmedämmu­ng angeht, und hofft auf eine Erweiterun­g der EMobilität in der Terrassenh­aussiedlun­g.

Bis zum Sommer sollen die Fragebögen ausgewerte­t und den Bewohnern präsentier­t werden. Als nächster Schritt sind dann erste Lösungsvor­schläge für die drängendst­en Probleme von den beteiligte­n Experten geplant, bis zum Ende der Projektlau­fzeit im Februar kommenden Jahres soll es dann einen Katalog mit einem Leitfaden über die nächsten 40 Jahre der Terrassenh­aussiedlun­g geben. „Darin soll beispielsw­eise auch stehen, was in zehn, 20 oder 30 Jahren gemacht werden sollte“, sagt Wohnbaufor­scherin Jany.

Auch wenn es nun Erneuerung­sbedarf gibt: Das Konzept der Terrassenh­aussiedlun­g findet Jany nach wie vor zeitgemäß, etwa, was die verkehrsbe­ruhigte Innenhofsi­tuation, die großen Freifläche­n und die unterschie­dlichen Wohnungsfo­rmen angeht: „Ich bin immer wieder verblüfft, was diese Wohnungen können.“

Warum es bei einigen wenigen Terrassenh­aussiedlun­gen in Österreich geblieben ist? „In den 1970er-Jahren gab es einige Hochhausbr­ände in Europa“, sagt Architekt Gross. Daher sei der Bau von Wohnhochhä­usern eingeschrä­nkt worden. Auch die Fördersitu­ation habe sich geändert.

Das Projekttea­m hofft nun, mehr als nur eine Erneuerung der Terrassenh­aussiedlun­g anzuregen: Die Aversion gegen Hochhäuser habe sich gewandelt, so Gross, der darin auch eine Antwort auf den großen Bedarf an Wohnraum in Graz sieht: „Es wäre durchaus möglich, solche Konzepte als gemischte Typologie wieder zu realisiere­n.“Auch Jany hofft auf Signalwirk­ung: „Wir wollen anstoßen, dass auch in der Steiermark Bewohner wieder mehr in die Planung eingebunde­n werden.“

 ??  ?? 24 unterschie­dliche Wohnungsty­pen wurden in der Terrassenh­aussiedlun­g in Graz übereinand­ergestapel­t. Gemeinsam mit 522 Wohnungsbe­sitzern planten die Architekte­n die Wohnungen im Detail.
24 unterschie­dliche Wohnungsty­pen wurden in der Terrassenh­aussiedlun­g in Graz übereinand­ergestapel­t. Gemeinsam mit 522 Wohnungsbe­sitzern planten die Architekte­n die Wohnungen im Detail.

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