Wege abseits der Wissenschaft
Nur etwa ein Viertel der Nachwuchsforscher kann in der Wissenschaft bleiben. Alternative Berufswege – etwa in die Wirtschaft – soll das neue Karrierezentrum der Ludwig-BoltzmannGesellschaft aufzeigen.
Wien – Bei weitem nicht für alle Jungforscher ist nach dem Doktorat oder einer Postdoc-Stelle der Karriereweg in der Wissenschaft gesichert. Studien zeigen, dass nur etwa ein Viertel aller Nachwuchsforscher in dem Bereich bleiben kann. Eine dauerhafte Professorenstelle winkt im Schnitt gar nur 0,5 Prozent.
Eigene Stellen, die bei der Suche nach einem Plan B helfen, gibt es bereits an den meisten Universitäten. Das erste außeruniversitäre Career-Center eröffnete im März die Ludwig-Boltzmann-Gesellschaft (LBG). An der LBG sind beispielsweise fast die Hälfte der 600 Mitarbeiter Pre- oder Postdocs mit großteils zeitlich befristeten Arbeitsverträgen. Finanziert wird das Zentrum für drei Jahre vom Österreich-Fonds.
Der Einrichtung ging eine Befragung der LBG-Institutsleiter und der Zielgruppe voraus. Wie sich gezeigt habe, hätten die meisten Jung- forscherinnen und Jungforscher schlichtweg keine Vorstellung von anderen Bereichen gehabt, sagt die Leiterin des Karrierezentrums, Verena Aichholzer, über die Ergebnisse. Trotz bester Ausbildung wüssten manche gar nicht, woran beispielsweise in der Pharmaindustrie geforscht werden könne.
Auch bezüglich der Kultur und der Regeln außerhalb der Wissenschaft herrsche häufig Unsicherheit, sagt Aichholzer im Gespräch mit dem STANDARD. „Man weiß nicht, wie man sich bei Netzwerkevents am besten verhält. Welche Währung zählt dort?“Sich gut „vermarkten“und darstellen ler- nen sollen die Jungforscher in Coachings und bei Career Workshops. Die LBG offeriert darüber hinaus Potenzialanalysen, Mentoring und Gründungsberatung.
Vorurteile führten häufig dazu, dass man nicht oder zu spät über alternative Karrierewege nachdenkt, sagt Aichholzer. „Junge sind oft von älteren Wissenschaftern beeinflusst, die der Meinung sind: Nur wer scheitert, geht in die Wirtschaft.“Sich einen Plan B zurechtzulegen sei aber wichtig, betont Aichholzer.
In welchen Bereichen außerhalb der Wissenschaft Jungforscher Fuß fassen können? Medizi- nern stünde beispielsweise die Pharmabranche offen. Geisteswissenschafter könnten etwa in Museen oder Bibliotheken arbeiten. Die Consultingbranche sei eine Option für alle.
Mobilität zentrales Thema
In Gesprächen mit Unternehmensvertretern und bei Netzwerkveranstaltungen, die das Karrierezentrum der LBG organisiert, soll ein Einblick in die jeweiligen Bereiche gewährt werden. Umgekehrt sollten auch die Zuständigen bei den Firmen auf die Jungforscher aufmerksam werden. „Noch haben sie sie wenig auf dem Radar“, sagt Aichholzer. „Sie sollen sehen, dass die Fähigkeiten, die sich jemand durch das Forschen aneignet, nützlich für ein Unternehmen sein können.“
Auch international nach einer Stelle zu suchen zahle sich aus. „Je mobiler man ist, desto mehr Chancen hat man“, sagt Aichholzer und verweist auf aktuelle Studien zum Thema Jobsicherheit. „Wobei man heutzutage ohnehin keine wissenschaftliche Karriere mehr machen kann, ohne ins Ausland zu gehen.“