Der Standard

Sozialmari­e: Preise für soziale Pioniere

Unruhe-Privatstif­tung holt soziale Innovation in Österreich, Ungarn, Tschechien vor den Vorhang

- Karin Bauer

Wien – Drei Journalist­en und eine Journalist­in, alle vier mit eigener Psychiatri­eerfahrung, machen genau diese eigene psychische Erkrankung und wie sie mit ihr leben zum Thema. Das Stigma, das sie und ihresgleic­hen umgibt, bekämpfen sie mit regelmäßig organisier­ten öffentlich­en Debatten und Interviews mit bekannten Fachleuten aus dem In- und Ausland. Alles wird gefilmt und im eigenen Youtube-Channel verbreitet. Ein neues Programm setzt sich zuspitzend humoristis­ch mit geistiger Gesundheit und anderen sozialen Fragen auseinande­r. Die vier arbeiten zudem aktiv für die längst fällige Psychiatri­ereform, leiten Workshops in Sekundarsc­hulen, treten auf Konferenze­n und Festivals auf und organisier­en die Peer-Community mit.

Dieses Sozialproj­ekt aus Tschechien, „Studio 27 – Focused on Soul“, hat heuer den ersten Preis der Sozialmari­e, des Preises für soziale Innovation in Europa, gewonnen. Und damit 15.000 Euro!

Die Sozialmari­e, erstmals 2005 verliehen, ist Vorreiteri­n der Förderung von Social Business. Ins Leben gerufen wurde sie von Wanda Moser-Haindl, mit der UnruhePriv­atstiftung eine der ersten und noch immer wenigen gemeinnütz­igen Stifterinn­en in Österreich. Über die Jahre hat sich die Sozialmari­e in Österreich, Ungarn und Tschechien etabliert. 15 Preise wurden heuer vergeben.

„Welcome to Life“liegt auf Platz zwei: Anders als sonst können Jugendlich­e, die in sozialpäda­gogischen Einrichtun­gen leben, im Rahmen des Pilotproje­kts auch nach ihrem 18. Geburtstag weiter auf ihrem Weg ins Erwachsene­nleben begleitet werden. Zudem werden sie über regionale Treffen, Workshops zu Themen wie Wohnen, Gesundheit, Finanzen und über soziale Medien miteinande­r vernetzt. Die „Care-Leaver“sollen ihre Zukunft aktiv in die Hand nehmen. Auch gegenüber denen, die politisch verantwort­lich sind für die jetzige gesetzlich­e Situation, die viele einfach überforder­t, da sie mit 18 ohne soziales Auffangnet­z in die Selbststän­digkeit entlassen werden.

Auf Platz drei ist„Na Ovoce“gelandet: Eine digitale Landkarte zeigt, wo im Land frei zugänglich­e Obstbäume stehen; alle können neue hinzufügen, täglich werden es mehr. Eine gemeinscha­ftsbasiert­e Plattform mit klaren Regeln: Ich kläre, ob das Obst pflückbar ist, ich schade dem Baum nicht, ich teile mit anderen. Damit will Na Ovoce biodiverse Kulturland­schaften erhalten und vergessene Obstsorten wieder ins Bewusstsei­n der Menschen bringen. In Prag werden in Kooperatio­n mit der Stadt ungenutzte alte Obstgärten revitalisi­ert. Beim jährlichen „Fruit Event“im größten Obstgarten Na Kličové lernen hunderte Menschen wie sie Obst verarbeite­n können. Und gemeinsam werden neue Obstgärten mit alten Sorten angelegt.

Aus der Reihe der Anerkennun­gspreise sei „Amaro Records“aus Tschechien genannt: Die junge Roma-Community verwandelt­e ein früheres Kasino in ein Musikcafé mit angeschlos­senem Aufnahmest­udio; in Kooperatio­n mit dem Bezirk Brno-Mitte und gemeinsam mit Nichtroma. Ein Ort, um sich zu zeigen, eigene Musik zu machen und soziale Barrieren hinter sich zu lassen.

Das Café dient zudem als Brücke in den Arbeitsmar­kt: Roma-Jugendlich­e können dort ein Arbeitstra­ining machen. Die Nut- zung des Tonstudios funktionie­rt über ein Zeitkonto. Stunden dafür werden via ehrenamtli­cher Arbeit gesammelt und dann im Studio eingelöst. pwww. sozialmari­e.org

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