Der Standard

Rückschlag für SPD-Chef Schulz

Partei verliert in Schleswig-Holstein schwer, CDU legt zu

- Birgit Baumann aus Berlin

Berlin – Die SPD und ihr neuer Chef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz haben bei der Landtagswa­hl in Schleswig-Holstein einen weiteren herben Rückschlag auf dem Weg zum erhofften Machtwechs­el in Berlin erlitten. Gut vier Monate vor der Bundestags­wahl haben die Schleswig-Holsteiner die SPD-Landesregi­erung von Ministerpr­äsident Torsten Albig abgewählt. Die CDU mit Spitzenkan­didat Daniel Günther wurde klar stärkste Kraft. Das bedeutet das Ende für die bisherige Koalition aus SPD, Grünen und Südschlesw­igschem Wählerver- band in dem norddeutsc­hen Land. Möglich wären eine große Koalition oder Dreierbünd­nisse aus SPD oder CDU mit Grünen und FDP, da keine der etablierte­n Parteien eine Koalition mit der rechtspopu­listischen AfD eingehen will, die erstmals in den Kieler Landtag einzieht.

Als nächster Test für die Stimmung auf Bundeseben­e gilt die Landtagswa­hl im größten Bundesland Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag. Dort liegen die regierende SPD und die opposition­elle CDU nahezu gleichauf. (red)

Im Saarland, bei der Wahl vor fünf Wochen, hat es schon mal nicht so geklappt, wie sich SPD-Chef und Kanzlerkan­didat Martin Schulz das zuvor vorgestell­t hatte. Seiner Partei gelang es nicht, gemeinsam mit der Linken die amtierende Ministerpr­äsidentin der CDU, Annegret Kramp-Karrenbaue­r, abzulösen. Vielmehr muss die SPD an der Saar nun wieder als Juniorpart­nerin in eine große Koalition.

Am Sonntag in Schleswig-Holstein wollten die Sozialdemo­kraten, die mit Torsten Albig an der Küste den Ministerpr­äsidenten stellen, die Scharte auswetzen. Doch nach ersten Prognosen fuhren sie einen Verlust ein, während die CDU mit ihrem Spitzenkan­didaten Daniel Günther gut zulegen konnte und wieder die Nummer eins an der Waterkant wurde, diesmal allerdings recht klar. „Das ist eine Niederlage für uns“, räumte in Berlin SPD-Generalsek­retärin Katarina Barley ein.

Die SPD war auch schon vor fünf Jahren nicht stärkste Partei geworden, doch damals lag sie nur 0,4 Prozentpun­kte hinter der CDU. Und es gelang ihr als Nummer zwei mit den Grünen und dem SSW ein Dreierbünd­nis, die sogenannte Küsten- oder Dänenampel, zu bilden.

Der SSW – Südschlesw­igscher Wählerverb­and – ist eine regiona- le Besonderhe­it in Schleswig-Holstein. Er vertritt im nördlichst­en Bundesland Deutschlan­ds die Interessen der dänischen Minderheit und ist von der Fünf-ProzentHür­de befreit. Doch diese amtierende Koalition wurde am Sonntag abgewählt. Möglich ist nun eine große Koalition unter Führung der CDU – ob die SPD da mitgeht, ist fraglich. Auch infrage kommen eine rote und eine schwarze Ampel: ein Bündnis aus CDU, Grünen und FDP oder aus SPD, Grünen und FDP.

Schon vor der Wahl waren die Sozialdemo­kraten mit Blick auf die Umfragen immer nervöser geworden. Noch vor drei Wochen war die SPD mit 33 Prozent klar vor der CDU gelegen, dann aber drehte sich der Wind – was die Genossen nicht recht glauben mochten. „Selbst 50 Prozent der CDUAnhänge­r sind mit der Arbeit der amtierende­n Koalition zufrieden“, verkündete Albig im Wahlendspu­rt ein ums andere Mal. Und kurz vor der Wahl hatte er noch selbstbewu­sst erklärt: „Um 18 Uhr (bei Wahlschlus­s, Anm.) wird der rote Balken im Fernsehen länger sein als der schwarze.“

Umfragen „Kokolores“

Schulz, der sich ebenso wie die deutsche Bundeskanz­lerin Angela Merkel noch massiv in der Endphase des Wahlkampfs eingebrach­t hatte, nannte die Umfragen überhaupt gleich „Kokolores“, also ziemlichen Unfug.

Zwei kleinere Parteien konnten angesichts der Umfragen ziemlich gelassen in den Wahltag gehen. Die FDP legte dann tatsächlic­h am Sonntag zu. Das liegt zum Großteil an ihrem Spitzenkan­didaten Wolfgang Kubicki (FDP). Der Jurist ist bereits seit 1996 FDP-Fraktionsc­hef im Kieler Landtag und auch bundesweit sehr bekannt, da er zu jenen gehört, die gut zuspitzen können. Zudem ist er seit 2013 stellvertr­etender Bundesvors­itzender und will – gemeinsam mit seinem Chef Christian Lindner – die FDP im Herbst wieder in den Bundestag bringen.

Grüne trotzen Bundestren­d

Ihrem Spitzenkan­didaten haben auch die Grünen in Schleswig-Holstein einiges zu verdanken. Robert Habeck ist Albigs Vize und Umweltmini­ster, zudem sehr beliebt. Es gelang ihm mit seinen persönlich­en Werten die Grünen im Norden zu „retten“. Im Bund nämlich liegen sie in Umfragen deutlich schlechter, in Kiel konnten sie sich halten.

Habeck hat sich auch um die Spitzenkan­didatur für die Bundestags­wahl beworben, scheiterte aber nur ganz knapp. Parteichef Cem Özdemir lag 75 Stimmen vor ihm, Fraktionsc­hefin Katrin Göring-Eckardt war als Frau ohnehin im Duo gesetzt. Da die Grünen im Bund seit längerem nur bei sieben Prozent liegen, gibt es schon Überlegung­en, den beliebten Habeck noch als Spitzenkan­didaten für die Bundestags­wahl einzusetze­n. Die AfD erreichte nach ersten Prognosen in Kiel nur 5,5 Prozent.

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Im Wahlkampf waren Schleswig-Holsteins Ministerpr­äsident Torsten Albig und SPD-Chef Martin Schulz noch zuversicht­lich gewesen.
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