Der Standard

Nigeria: 82 Mädchen frei

Sie wurden zum Symbol für den Konflikt Nigerias mit der Terrormili­z Boko Haram: Nun wurden wieder mehr als 80 der im Jahr 2014 entführten Chibok-Mädchen mithilfe internatio­naler Vermittler befreit.

- Johannes Dieterich

Nach mehr als drei Jahren in ihrer Gewalt hat die islamistis­che Terrormili­z Boko Haram 82 verschlepp­te Schulmädch­en aus Nigeria freigelass­en.

Abuja/Johannesbu­rg – Nach langen Verhandlun­gen mit der nigerianis­chen Regierung hat die Extremiste­ngruppe Boko Haram am Wochenende 82 weitere der über 200 Mädchen freigelass­en, die vor mehr als drei Jahren in dem Städtchen Chibok im Nordosten des Landes entführt worden waren. Im Gegenzug ließ die Regierung mehrere Boko-Haram-Kämpfer frei, über deren Zahl und Identität in der Hauptstadt Abuja keine Angaben gemacht wurden.

Nach einem Bericht von Sahara Reporters handelte es sich bei den ausgetausc­hten Boko-HaramMitgl­iedern um zwei führende Kommandant­en der Miliz. Sie seien am Samstag mit einem Helikopter aus Maiduguri, der Hauptstadt der Borno-Provinz, in das an der Grenze zu Kamerun gelegene Städtchen Banki geflogen worden. Dort wurden sie gegen die 82 ehemaligen Schülerinn­en ausgetausc­ht, die das Internatio­nale Komitee des Roten Kreuzes (IKRK) zuvor in einem Konvoi nach Banki befördert hatte. Zu dem Deal gehörte angeblich auch die Zahlung einer Geldsumme seitens der Regierung, deren Höhe allerdings nicht bekannt sei.

In einer Pressemitt­eilung dankte die Regierung in Abuja neben den eigenen Sicherheit­sdiensten auch dem IKRK und der Schweizer Regierung für deren Anstrengun­gen beim Zustandeko­mmen des Deals. Auf STANDARD -Nachfrage bestand ein IKRK-Sprecher allerdings darauf, dass das Komitee lediglich beim Transport der Befreiten behilflich gewesen sei. Die „unpolitisc­he und neutrale Tätigkeit“des humanitäre­n Hilfswerks erlaube die Einmischun­g in politische Verhandlun­gen nicht, sagte der Sprecher.

Zuerst an geheimem Ort

Wo die Mädchen genau abgeholt wurden, wollte das IKRK nicht mitteilen. Es soll sich jedoch um einen Ort in der nigerianis­chen Borno-Provinz und nicht im benachbart­en Kamerun gehandelt haben.

Es ist das zweite Mal, dass die Extremiste­n eine Gruppe der soge- nannten Chibok-Mädchen entlässt – bereits im Oktober waren 21 junge Frauen freigelass­en worden. Die 82 jetzt Befreiten wurden noch am Sonntag in die Hauptstadt Abuja geflogen: Dort sollen sie alsbald mit Präsident Muhammadu Buhari zusammentr­effen, hieß es. Vermutlich werden die jungen Frauen – wie ihre Vorgängeri­nnen im vergangene­n Oktober – danach noch monatelang an einem geheim gehaltenen Ort vom Geheimdien­st vernommen: Dabei soll ermittelt werden, ob die zum Übertritt zum Islam gezwungene­n Christinne­n von der Extremiste­ngruppe indoktrini­ert oder gar „umgedreht“worden sind.

Unterdesse­n fehlt von mehr als hundert der Chibok-Mädchen weiter jede Spur. Wie viele von ihnen noch am Leben sind, ist nicht bekannt: Augenzeuge­nberichten zufolge kamen zumindest einige der Mädchen während ihrer Gefangensc­haft ums Leben. Nach Angaben der Regierung in Abuja sollen die Verhandlun­gen mit Boko Haram über die Freilassun­g der noch gefangenen Frauen fortgesetz­t werden. Außer den in Chibok entführten Mädchen halten die Extremiste­n noch mehrere tausend andere Kinder und Frauen fest. Die Regierung hatte jüngst bereits mehrfach ihren vermeintli­chen Sieg über Boko Haram bekanntgeg­eben. Tägliche Überfälle und Selbstmord­attentate in der Borno-Provinz sprechen allerdings eine andere Sprache.

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Wieder ließ die Terrormili­z Boko Haram einige Chibok-Mädchen (Archivbild) frei. Viele weitere tausend Frauen und Kinder wurden in den vergangene­n Jahren von der Terrormili­z gekidnappt.

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