Der Standard

EU-Liberalisi­erung: Wien in der Doppelmühl­e

Dienstleis­tungskarte könnte freie Berufe und Gewerbe unter Druck bringen

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Wien – Die Bemühungen der EUKommissi­on, mehr Schwung in den Binnenmark­t zu bringen, könnten Wien noch ziemlich beschäftig­en. Ein im Jänner präsentier­tes umfangreic­hes Dienstleis­tungspaket dürfte just während der österreich­ischen Präsidents­chaft in der zweiten Jahreshälf­te 2018 in die Beschlussp­hase gehen. Das ist insofern sensibel, als das Maßnahmenb­ündel hierzuland­e besonders kritisch beäugt wird. Leichterer Zugang für Gewerbe und freie Berufe wie Notare, Rechtsanwä­lte, Ingenieure oder Ärzte aus dem EU-Ausland ist seit jeher ein rotes Tuch für heimische Standesver­tretungen.

In der Regierung wird die bereits aufbrausen­de Kritik der diversen Kammern geteilt. Wirtschaft­sminister Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) will verhindern, dass geringere Anforderun­gen eines anderen Landes im Dienstleis­tungssekto­r in Österreich automatisc­h anerkannt werden müssen, wie ein Sprecher erklärt. Damit würde nämlich das „Herkunftsl­andprinzip durch die Hintertür“umgesetzt, so die Begründung. Im Unterschie­d zu Waren, bei denen in der Regel die Genehmigun­g in einem Land den Marktzugan­g in der ganzen EU sichert, sind im Serviceber­eich umfangreic­he Prozedere notwendig.

Derzeit muss eine behördlich­e Anzeige vorgenomme­n werden, will beispielsw­eise ein ungarische­r Installate­ur in Österreich tätig werden. Auch bei Ärzten, Rechtsanwä­lten und anderen Tätigkeite­n wird geprüft, ob die betroffene Person die heimischen Qualifikat­ionserford­ernisse erfüllt. Die EU will die Berufsan- erkennung mit einer Dienstleis­tungskarte vereinfach­en. Sie bestreitet, dass Anforderun­gen nach unten nivelliert würden. Der entscheide­nde Vorteil: Der ungarische Installate­ur könnte die Anmeldung „in seinem Land und in seiner Sprache“vornehmen, wie ein Kommission­sbeamter erläutert. Er räumt aber ein, dass die Sensibilit­ät des Migrations­themas das Vorhaben nicht gerade beflügle. Dennoch hofft man auf einen Durchbruch.

Österreich, Deutschlan­d und Frankreich – die drei Länder haben Schritte gegen das Paket gesetzt – könnten die Initiative nicht verhindern, wird betont. Neben der Dienstleis­tungskarte will die EU auch, dass die Länder neue Regeln in dem Bereich Brüssel vor Beschluss melden. Auch dagegen sind Wien, Paris und Berlin. (as)

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