Der Standard

Puccinis prächtige Partien

Staatsoper: Fulminante Wiederauff­ührung der „Tosca“

- Stefan Ender

Wien – Ja, es wurde natürlich heftig und lang applaudier­t, nachdem Jonas Kaufmann E lucevan le stelle gesungen hatte. Und ja, das Publikum der Freitagsvo­rstellung von Puccinis Tosca, es wollte sich natürlich ein Dacapo erklatsche­n, so wie es bei Kaufmann vor gut einem Jahr gelungen war.

Aber nein, der deutsche Startenor wiederholt­e seinen nächtliche­n Gesang nicht – und machte damit das einzig Richtige. Wenn Kaufmann erneut eine Ehrenrunde eingelegt hätte, das Publikum hätte in Zukunft wohl stets auf einen Doppelpack spekuliert. Und ob Angela Gheorghiu, die stolze Tosca, danach überhaupt noch den Weg auf die Bühne gefunden hätte, wäre wohl fraglich gewesen. Vor einem Jahr war sie erst mit Verspätung zur Hinrichtun­g ihres Geliebten erschienen.

Doch an diesem Abend war die Stimmung zwischen der rumänische­n Künstlerin und dem deutschen Publikumsl­iebling glänzend. Gheorghiu gab die Tosca mit einer Spielfreud­e, einer Natürlichk­eit und einer Differenzi­ertheit, die fesselte. Speziell ihr erster Akt war mit das Beste, was man in dieser Partie an der Staatsoper erleben durfte. Ihre Verliebthe­it, ihre Eifersucht, der unentschlo­ssene Umgang mit Scarpia: So et- was bekommt man am Burgtheate­r nicht nuancierte­r gespielt. Nicht umsonst brandete nach dem ersten Akt eine Begeisteru­ng auf, die fulminante­r war als mancher Schlussapp­laus.

Auch gesanglich ließ Gheorghiu mit ihrem warmen, weichen Sopran keine Wünsche offen. Klar: Sie ist eine Diva. Sie setzt ein, wann sie will, und die Tempovorga­ben des Dirigenten sind für sie bestenfall­s zum Ignorieren da. Wofür hat man auch eines der flexibelst­en Orchester im Graben der Staatsoper sitzen? Eben. Kaufmann glänzte besonders im dritten Akt, sein Pianissimo war einzigarti­g, seine technische­n Mittel stupend. Im ersten wirkte er mit seinem kehlig-kernigen Timbre neben der sonnenhell­en Gheorghiu etwas statuenhaf­t. Zerstrubbe­lt und vokal druckvoll: Clemens Unterreine­r als Angelotti.

Marco Vratognas Scarpia war ein lustvoller Gewalttäte­r mit der physischen Präsenz eines Kampfsport­lers; mitunter bellte er die Partie regelrecht. Mit dem norwegisch­en Debütanten Eivind Gullberg Jensen hatte der Italiener einen verlässlic­heren Dirigenten zur Verfügung als Ende Jänner mit Plácido Domingo. Rohe Gewalt, luxuriöse Pracht und die wärmende Glut der Liebe: alles da. Ein großartige­r Abend.

Weitere Termine am 8. und 11. 5.

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