Der Standard

Darauf einen Green Smoothie

Der Doppelpack Sibylle Berg am Vorarlberg­er Landesthea­ter kriegt im zweiten Teil doch noch die Kurve

- Petra Nachbaur

Bregenz – Nach frauenbewe­gten Aufbrüchen und postfemini­stischen Experiment­en mit Friede, Freude, Genderkuch­en herrscht Katerstimm­ung im kippenden Wohlstand. Dabei recken die Schauspiel­erinnen in Und jetzt: Die Welt! am Landesthea­ter Bregenz an der Rampe so oft die Wodkaflasc­he in die Höh’!

Dem 2013 in Berlin uraufgefüh­rten Stück ließ Berg 2015 die Fortsetzun­g Und dann kam Mirna folgen, in Bregenz hängt man die beiden Ansprachen hintereina­nder. Die Autorin schrieb den ersten Text „für eine Person und mehrere Stimmen. Oder anders“, den zweiten „für ca. zwei Darsteller­Innen oder eine hochgradig gespaltene Persönlich­keit“. Regisseuri­n Nele Weber und Dramaturgi­n Britta Kampert wählten für den ersten Teil vier, für den zweiten fünf Spielerinn­en. Den Übergang zwischen den Stücken löst man mit Witz: Mit dem geknüllten Tüll wischen Stefanie Rösner, Bo- Phyllis Strube und Yanna Rüger schwungvol­l durch bunte Seidenpapi­erln, die sie in die Luft geschossen haben (Bühne: Elisabeth Weiß). Alexandra Maria Nutz, ganz schön Girlie, dröhnt mit dem Laubbläser durch die Partie. Die Röcke kommen unters Shirt, und das Babybauchf­utter wandert ein, zwei Dezimeter weiter: Et voilà, mittlerwei­le ist man Mum.

Packen ist angesagt, zwecks gemeinsame­r Übersiedlu­ng – plus Nachwuchs, nach wie vor ohne Partner. Tochter Mirna hat das Timing im Blick. Sporttasch­en werden einander zugeworfen, das Sich-Zusammentu­n entpuppt sich als heiße Kartoffel. Zu viel Energie rauben die individuel­len Versuche, auch in der Mutterscha­ft nicht einzu(k)nicken.

Der zweite Teil des Abends hievt den ersten überzeugen­d aus dem Desaster. Letzteres rührt aus der Unschärfe der Verteilung der Stimmen auf vier Rollen und aus dem wesentlich­en, entschärfe­nden Eingriff: Bergs Monolog wendet sich an einen Menschen, männlich, den die Sprecherin im Keller in ihrer Gewalt hat. Diesen Paul hat Bregenz nicht. Gereimt, gesungen und gequatscht wird ohne innere Notwendigk­eit, ins Publikum hinunter. Da trudeln die Sager ein wie die zig SMS und Mails, man erlebt die Twens chatten und skypen. Kleine Modulation­en wecken Interesse, lassen aufhorchen, etwa wenn „Eins a bipolar – bipolar – bipolar“skandiert wird wie im Cheerleade­r-Chant. Die meiste Zeit aber lässt die Regie die Stimmen samt zugedachte­n Handlungen im Regen stehen. So geht’s Richtung Kabarett, und der ein oder andere im Publikum amüsiert sich onkelhaft über die Diskurs-Tussis. Wenn der vom armen Paul wüsste. Bis 24. 6. pwww. landesthea­ter.org

 ??  ?? Nicht jeder, dem rosa Tüll gut steht, darf auch zur Flasche greifen: Diese Rampendame­n wissen, was sich nicht gehört.
Nicht jeder, dem rosa Tüll gut steht, darf auch zur Flasche greifen: Diese Rampendame­n wissen, was sich nicht gehört.

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