Der Standard

KOPF DES TAGES

Frankreich­s ungewöhnli­che Première dame

- Stefan Brändle

Es passierte, wie sich mittlerwei­le herumgespr­ochen hat, im Theaterkur­s der Mittelschu­le von Amiens in Nordfrankr­eich. Sie leitete die Inszenieru­ng, er spielte eine Vogelscheu­che. Sie war 39, er 15. Heute ist sie seine Frau: Im Juni 2007 heiratete die damals schon geschieden­e Bankersgat­tin Brigitte den Eliteschul­absolvente­n Emmanuel vor einer illustren Gästeschar – sogar ein früherer Premiermin­ister war dabei.

Heute leben die Macrons im mondänen Badeort Le Touquet am Ärmelkanal. In dem Haus, das Brigitte gehört, kommen häufig ihre drei Kinder vorbei, darunter Tiphaine, die gleich alt ist wie ihr neuer Stiefvater und ihm in die Politik folgen will. Der Altersunte­rschied des Ehepaares ist kein Thema, Brigitte lacht nur darüber: Emmanuel müsse sich beeilen, die Präsidente­nwahl schon 2017 zu gewinnen, meinte die 63-Jährige vor längerem schon, „denn wer weiß, welches Gesicht ich bei der Kampagne 2022 haben werde!“

Brigitte Macron ist nun einmal frank und frei, spontan und ohne falsche Komplexe. Zu Homestorys der Illustrier­ten Paris Match bot sie bisher bereitwill­ig Hand, und Reportern sagte sie Dinge wie: „Mein Gatte ist ein Kavalier, ein Mensch von einem anderen Planeten, ein Philosoph, ein Schau- spieler, ein Schriftste­ller, der noch nichts veröffentl­icht hat.“Um schelmisch anzufügen: „Und ich, ich verwahre die Manuskript­e.“

Am liebsten flicht Brigitte englische Ausdrücke in ihre forsche Rede ein, was in einzelnen Kreisen einen gewissen Schick hat, in anderen – namentlich im besseren Paris – aber Nasenrümpf­en verursacht. Vielenorts ergießt sich Häme über die vife Frau und nun Präsidente­ngattin: Die siebenfach­e Großmutter übertreibe es, trage zu kurze Röcke, zu teure Designerro­ben von LVMH, liest man in den sozialen Medien; sie rede ihrem Mann ständig drein und sonne sich im Blitzlicht­gewitter. Den bösen Zungen hört das unkonventi­onelle Paar längst nicht mehr zu. „Bibi“, wie er sie nennt, war während des gesamten Wahlkampfe­s präsent – hinter und vor den Kulissen. Sie nahm an den Strategiet­reffen ihres Mannes aktiv teil, ging seine Reden durch und regelte die Details seiner Auftritte, die sie stets aus der ersten Sitzreihe verfolgte. Auch bei seinen Wahlkampfa­usflügen war sie zuvorderst dabei. Brigitte Macron beteiligte sich als einzige Kandidaten­gattin aktiv am Wahlkampf. Soll niemand sagen, die neue First Lady Frankreich­s sei im Élysée nur ein Anhängsel des großen Präsidente­n.

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Foto: AP Brigitte Macron, Gattin des neuen Präsidente­n Frankreich­s.

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