Der Standard

Zerbrechen an Schallmaue­rn

- Florian Vetter

Es muss schnell gehen. So wie der eilige Geist durch den Alltag rast, stellt sich zwangsläuf­ig die Frage, wozu der Mensch fähig ist. Im Marathon sind die zwei Stunden eine Schallmaue­r. Die hat der Kenianer Eliud Kipchoge am Samstag in aller Herrgottsf­rüh beim umstritten­en Projekt „Breaking 2“auf der Formel-1-Rennstreck­e in Monza nicht durchbroch­en. Er ist ihr bis auf 26 Sekunden nahegerück­t und war zwei Minuten und 32 Sekunden schneller als der offizielle Weltrekord des Leichtathl­etikWeltve­rbands (IAAF). Das ist eine unglaublic­he individuel­le Leistung, die aber auch das große Problem des Sports verdeutlic­ht: Es wird ausgereizt, was noch erlaubt oder eben auch nicht mehr erlaubt ist.

Der Laborversu­ch unter freiem Himmel galt einer künstliche­n Leistungss­teigerung, raue Wettkampfb­edingungen wurden eliminiert: Also keine Steigungen, keine engen Kurven, Windstille, ein Auto mit einer großen Zeitanzeig­e, in dessen Windschatt­en sich die zig Tempomache­r und Kipchoge bewegten. Darum wird die Zeit auch nicht als Weltrekord anerkannt.Das dürfte nicht weiter stören, denn das von den drei Herrschaft­en getragene innovative Schuhmodel­l wird sich wohl alsbald im Handel auch so bestens verkaufen.

Es ist eine Ironie, dass dieser Tage der europäisch­e Leichtathl­etik-Verband seine alten Rekordlist­en entsorgen will, um künftig Athleten nicht mehr an dopingverd­ächtigen Bestmarken zu messen. Ein gesünderer Leistungss­portgedank­e soll die Jagd nach Bestzeiten in den Hintergrun­d drängen. Ein Formel-1-Marathon-Rennen führt derartige Bemühungen ad absurdum. Stattdesse­n sollten die Verantwort­lichen der Leichtathl­etik sich lieber darum bemühen, ihre großen Meetings, wie zuletzt das Golden League in Doha, besser zu promoten. So zerbricht sie an ihren eigenen Schallmaue­rn.

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