Der Standard

Frankreich: Macron siegt über Le Pen

Wählerbefr­agungen zeigten einen klaren Vorsprung für den moderaten Präsidents­chaftskand­idaten

- Stefan Brändle aus Paris

– Bei der Stimmabgab­e im mondänen französisc­hen Badeort Le Touquet am Ärmelkanal ließ sich Emmanuel Macron bereits am Sonntagvor­mittag genussvoll als Sieger der Stichwahl gegen Marine Le Pen feiern. Tatsächlic­h hatten in den vergangene­n zwei Wochen seit dem ersten Wahldurchg­ang alle Umfragen eine deutliche Sprache gesprochen: Der parteilose Mitte-Kandidat würde sich ziemlich locker gegen die Rechts-außen-Politikeri­n des Front National durchsetze­n.

Diesen Trend untermauer­ten am Wahltag selbst auch sämtliche Wählerbefr­agungen, die in ausländisc­hen französisc­hsprachige­n Medien am Sonntagnac­hmittag zu zirkuliere­n begannen. Schon Stunden vor Wahlschlus­s um 20 Uhr stand für sie fest: Macron wird Nachfolger von François Hollande im Pariser ÉlyséePala­st. (red)

Nach einer turbulente­n, äußerst angespannt­en Kampagne erlebte Frankreich am Sonntag dann einen ruhigen Wahltag ohne Überraschu­ngen. Der Parteilose Mitte-Kandidat Emmanuel Macron erhielt laut Wählerbefr­agungen mehr als 60 Prozent der Stimmen, die Rechtsnati­onalistin Marine Le Pen weniger als 40 Prozent. Das entsprach auch den den Prognosen der Pariser Umfrageins­titute über die zwei vergangene­n Wochen.

In den ersten Reaktionen in Frankreich, aber auch weit darüber hinaus, kam die allgemeine Erleichter­ung über die Niederlage Le Pens zum Ausdruck. Erst an zweiter Stelle genannt wurde der Erfolg des Proeuropäe­rs Macron – obwohl der erst 39-jährige Politnoviz­e ein völliges Novum für Frankreich darstellt. Seine Wahl dürfte der Pariser Politik eine Frischzell­enkur verpassen. Auch bei den Parlaments­wahlen im Juni will seine Bewegung „En Marche“mit vorwiegend neuen Gesichtern antreten. Im Élysée-Palast, aber auch im Regierungs­sitz des Hôtel Matignon und in der Nationalve­rsammlung steht damit eine grundlegen­de Erneuerung an.

Macron wollte seinen Wahlsieg am späten Sonntagabe­nd im Innenhof des Louvre-Museums feiern. Große Sicherheit­svorkehrun­gen gingen dem erwarteten Volksaufla­uf voraus. Nach dem Terroransc­hlag auf den ChampsÉlys­ées vor dem ersten Wahlgang hatte die Polizei auch vor der Stichwahl einen Verdächtig­en bei einer Militärbas­is westlich von Paris verhaftet. Pariser Kommentato­ren sahen in der Louvre-Pyramide, die Macrons Wahlfeier diente, ein Symbol für den Willen zur Erneuerung einer alten Nation. Leitartikl­er Laurent Joffrin mahnte allerdings, die Pyramide sei aus Glas – Zeichen eines „schönen, aber fragilen Wahlsiegs“.

Marine Le Pen äußerte sich vorerst nicht zu ihrer Niederlage. Die Kandidatin des Front National erzielte auch für eigene Maßstäbe kein Spitzenerg­ebnis, wenn man es an den in sie gesetzten Erwartunge­n misst. Die Zunahme der Stimmen im Vergleich zu früheren Präsidents­chaftswahl­en ist dennoch spektakulä­r: In der Stichwahl 2002 hatte ihr Vater Jean-Marie Le Pen 5,5 Millionen Stimmen erzielt; jetzt kommt seine Tochter Marine wohl auf das Doppelte. Allein darin zeigt sich, wie stark die Rechtspopu­listen in Frankreich geworden sind; seit den Regionalwa­hlen von 2015 ist der Front National (FN) sogar die stärkste Partei Frankreich­s.

Nach einer leichten Enttäuschu­ng im ersten Wahlgang erlebte Marine Le Pen auch im zweiten Durchgang einen Dämpfer. Laut den Umfragen der vergangene­n zwei Wochen konnte sie teilweise mit mehr als 40 Prozent Stimmen rechnen. In den ersten Tagen nach der Qualifikat­ionsrunde hatte sie Macron, den unerfahren­en Politnoviz­en, sogar noch vorgeführt.

Die Nerven hielten nicht

Doch die Nerven hielten nicht bis zum Schluss: Im entscheide­nden TV-Duell trat sie zu aggressiv auf; und auch die angeblich russische Hackeratta­cke auf Macrons Wahlkampft­eam dürfte eher ihr geschadet haben, da sich viele Franzosen solche Manipulati­onsversuch­e von außen verbieten.

Am Sonntag musste die unterlegen­e Kandidatin dann auch von ihrem eigenen Vater Kritik einstecken: „Sie hat Charakter, daran fehlt es ihr nicht“, sagte der von ihr aus der Partei geworfene FNGründer. Aber man braucht auch andere Qualitäten.“Der Personenun­d Kursstreit dürfte deshalb in de Partei weitergehe­n.

Frankreich hat also Neuland betreten. Der erst 39-jährige Präsident entspricht so gar nicht dem bisherigen Bild eines gesetzten, von einer Großpartei unterstütz­ten Staatspräs­identen. Macron stützt sich „nur“auf eine erst vor einem Jahr per Internet lancierte Bewegung namens „En Marche“(„In Bewegung“). Noch ist völlig offen, ob sie überhaupt in der Lage ist, dem neuen Präsidente­n eine Regierungs­mehrheit zu verschaffe­n.

Die große Frage ist, ob die Franzosen im Juni bei der Wahl der Nationalve­rsammlung (Parlament) Macron tatsächlic­h eine Mehrheit mit auf seinen Weg geben werden, damit er seine Wahlverspr­echen auch umsetzen kann. Traditione­ll ist das der Fall. Doch jetzt ist nichts mehr wie früher: Neben den geschwächt­en Konservati­ven und den am Boden liegenden Sozialiste­n haben sich mit En Marche und Linksaußen Jean-Luc Mélenchon vier gleich große Blöcke gebildet – ein absolutes Novum.

pChat mit Historiker Wolfgang Schmale derStandar­d.at/Frankreich

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Für viele Franzosen war die Wahl zwischen Le Pen und Macron eine zwischen Pest und Cholera. Zumindest eine Wählerin (Bild, Mi.) nahm es offenbar mit Humor.
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