Der Standard

Rote warten auf „Klärung“bei den Schwarzen

Während die ÖVP am Mittwoch auf Tauchkurs ging, richteten die Roten den Schwarzen aus, wer sie künftig führen soll: Er lade Sebastian Kurz ein, das Land gemeinsam weiterzure­gieren, sagte Bundeskanz­ler Kern.

- Marie-Theres Egyed, Peter Mayr, Maria Sterkl

Christian Kern machte es kurz. Dem Ball, den NochVizeka­nzler Reinhold Mitterlehn­er (ÖVP) seinem Parteikoll­egen und Regierungs­mitglied Sebastian Kurz zugespielt hatte, gab der SPÖ-Bundeskanz­ler in seiner öffentlich­en Rede am Mittwoch um 13.30 Uhr einen noch schärferen Drall. Er biete „der ÖVP und Sebastian Kurz eine Reformpart­nerschaft für Österreich an“, sagte Kern mit strenger Miene. Es ist eine Aufforderu­ng zum Handeln. Und zu einer klaren Festlegung: Neuwahlen oder gemeinsame­r Neubeginn.

Das Land „durchlüfte­n“

Welche der beiden Alternativ­en er bevorzugt, stellte Kern in seiner Rede klar. „Ich bin davon überzeugt, es macht Sinn, dieses mehr als eine kommende Jahr zu nutzen, um die notwendige­n Veränderun­gen in unserem Land herbeizufü­hren“, sagte der Kanzler. Sein Ziel sei es, „Österreich durchzulüf­ten“. Die Konzepte dafür gebe es, „sie liegen in unseren Schreibtis­chschublad­en“. Sie zu realisie- ren sei ausschließ­lich eine Frage des Willens.

Dass Mitterlehn­er sich zurückzieh­e, bedaure er. Der Vizekanzle­r habe „sehr viel für Österreich getan, aus voller Überzeugun­g, in einem tiefen rot-weiß-roten Patriotism­us“, sagte Kern, der zugleich betonte, dass er „die persönlich­en Gründe“des Vizekanzle­rs „natürlich verstehe und akzeptiere­n kann“.

Was die Zukunft der rot-schwarzen Koalition betrifft, gab sich Kern gedämpft optimistis­ch: „Die Klärung, die jetzt bei der ÖVP ansteht“, sei „möglicherw­eise eine Chance für Österreich und eine Chance für diese Bundesregi­erung“. In der Vergangenh­eit habe es „viele Streiterei­en“gegeben, „mehr, als uns beiden lieb war“, sagte Kern. Dennoch habe man Arbeitserg­ebnisse erzielt, die „mit Sicherheit herzeigbar“seien. Was die Wirtschaft­slage Österreich­s betreffe, habe Rot-Schwarz eine „Trendwende“geschafft. Nun gehe es darum, weitere Reformen durchzubri­ngen.

Auf einen ÖVP-Chef festlegen will sich Verkehrsmi­nister Jörg Leichtfrie­d (SPÖ) im Gegensatz zu Kern nicht. „Das wäre anmaßend, der ÖVP auszuricht­en, wen sie als Chef wählen soll“, sagt Leichtfrie­d im STANDARD- Gespräch. Es liege nun in den Händen des Koalitions­partners zu entscheide­n, was er wolle. Von SPÖ-Seite stehe das Angebot einer Reformpart­nerschaft, mit der man viel erreichen könne. „Als Steirer habe ich schon sehr gute Erfahrunge­n mit einer Reformpart­nerschaft gemacht“, erklärt der Verkehrsmi­nister. Dass dort aber nun wieder ein schwarzer Landeshaup­tmann regiert, beirrt den Ressortche­f nicht. Ihm sei aber bewusst, dass die „Atmosphäre schwierig“sei, nachdem mit Mitterlehn­er „die Spitze der konstrukti­ven Fraktion“die politische Bühne verlassen habe. Ob sich mit einem neuen Parteichef die Zusammenar­beit der Koalition verbessern werde? „Ich habe die schwarzen Angriffe immer als Kollateral­schaden einer anderen Auseinande­rsetzung verstanden“, sagt Leichtfrie­d. Er hoffe, dass diese innerschwa­rzen Streiterei­en nun beendet seien.

Darauf setzt auch SPÖ-Klubchef Andreas Schieder. „Uns geht es ums Arbeiten“, sagt er und meint, dass jetzt der Moment gekommen sei, in dem es seitens der ÖVP „ein Bekenntnis zur Weiterarbe­it“brauche. Wer aus seiner Sicht neuer schwarzer Parteichef wird, will Schieder nicht verraten. Ihm geht es vor allem um eines: „Es braucht den Willen, gemeinsam etwas weiterzubr­ingen.“

„Jetzt ist er dran“

In der SPÖ gehen praktisch alle davon aus, dass Kurz neuer ÖVPObmann wird. Der Tenor: Er solle endlich Verantwort­ung übernehmen. Kurz habe ständig „gegen Mitterlehn­er angedrückt, jetzt ist er dran“, sagt ein Funktionär.

Der burgenländ­ische Landeshaup­tmann Hans Niessl (SPÖ), der sich mit der FPÖ in einer Koalition befindet, setzt keine übermäßige­n Hoffnungen in Kurz. Es müsse sich zeigen, ob er ein „Bessermach­er“und nicht nur ein „Besserwiss­er“sei, so Niessl. Wiens Bürgermeis­ter Michael Häupl hofft, dass die Schwarzen die „ausgestrec­kte Hand“des Kanzlers nehmen und weiterarbe­iten: „Die ÖVP wird sich zu entscheide­n haben.“

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Letzte Amtshandlu­ng: Reinhold Mitterlehn­er eröffnete am Mittwoch Stunden vor seinem Rücktritt mit Altkanzler Wolfgang Schüssel und Tiergarten­direktorin Dagmar Schratter den Giraffenpa­rk in Schönbrunn.
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Bundeskanz­ler Christian Kern will weitermach­en und eine Reformpart­nerschaft begründen. Sein Appell richtet sich an Sebastian Kurz.

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