Traditionspflege: Wie man einen VP- Obmann fertigmacht
Österreichische Parteiobmänner gehen selten, wenn sie im Zenit ihrer Macht sind. ÖVP-Obmänner schon gar nicht. Das hängt auch damit zusammen, dass man als Chef der ÖVP wenig Macht hat – aber viele, die einem die wenige Macht streitig machen.
Die schwache Position des ÖVP-Chefs geht auf das Jahr 1945 zurück: Am 11. September 1945 scheiterte Generalsekretär Felix Hurdes mit seinem Organisationskonzept für die knapp fünf Monate alte Volkspartei. Hurdes hatte genau das gewollt, was in den Jahren danach jeder Parteichef ersehnt hat: eine starke Bundespartei, in der Parteiobmann (vorgesehen für diese Rolle war Hans Perntner) und Generalsekretär die politische Linie vorgeben sollten. Die damals nur drei Bünde sollten je einen Vertreter in die Parteileitung delegieren.
Stattdessen wurde mit dem niederösterreichischen Bauernbündler Leopold Figl und dem ebenfalls niederösterreichischen Wirtschaftsbündler Julius Raab eine Parteiführung etabliert, in der der Arbeitnehmervertreter Lois Weinberger nur noch eine Nebenrolle spielen konnte.
Starke Bünde
Die bündische Struktur prägte die Zeit, in der die Volkspartei (in der Person Figls) den Bundeskanzler stellte – gleichzeitig war es Figl, der als Erster erleben musste, wie der Wirtschaftsbund (geführt von seinem Partei- und persönlichen Freund Raab) mit dem Arbeitnehmerbund ÖAAB gegen die Politik des Kanzlers konspiriert hat. Und schon damals spielten die Medien mit hinein: Es waren die Salzburger Nachrichten, zu denen Raab gute Kontakte pflegte, die die Figl-ÖVP angriffen und Reformen einmahnten. Unter Reformen verstand man damals wie heute vor allem personelle Änderungen: Figl musste 1951 einen geschäftsführenden Parteiobmann akzeptieren. Und das wurde Julius Raab, der sich mit dem Arbeitnehmervertreter und Zeitungsverleger (Oberösterreichische Nachrichten) Alfred Maleta auch einen Generalsekretär aus dem ÖAAB holte.
Die Demontage Figls ging weiter, Raab zwang ihm Reinhard Kamitz als Finanzminister auf – nachdem die steirische Landespartei einen weitgehenden Umbau der Regierungsmannschaft und ein schärferes Auftreten gegen den sozialistischen Junior- partner in der Regierung gefordert hatte. Nur die Wahlarithmetik rettete der ÖVP bei der folgenden Nationalratswahl die Mandatsmehrheit – und mitten in den Regierungsverhandlungen 1953 löste Raab Figl als Verhandlungsführer ab und übernahm Partei und Kanzlerschaft. Sieben Jahre später ging es Raab selbst nicht besser. Nach der Nationalratswahl 1959, in der die ÖVP wieder nur durch Glück die Mandatsmehrheit gehalten hatte, musste ein Nachfolger her. Und bitte nicht noch einer aus Niederösterreich.
Wieder waren es die Steirer, wieder ging es um Reform, wieder blieb von der Reform nichts als eine Personalrochade: AlfonsGorbach folgte Raab ins Amt des Parteichefs, dann auch ins Kanzleramt. Im Generalsekretariat machte sich dagegen der Niederösterreicher Hermann Withalm breit – und trotz unbestreitbarer Wahlerfolge Gorbachs wurden schon wieder Rufe nach Reformen laut.
Withalm blieb, der Salzburger Josef Klaus stieg 1963 in die Position des Partei- und ein Jahr später in die des Regierungschefs auf. Tatsächlich war die Ära Klaus die erfolgreichste der ÖVP: 1966 errang sie die absolute Mehrheit, am Sessel von Klaus wurde aber auch deshalb nicht so intensiv gesägt, weil er als bis dahin einziger VPChef den Westen repräsentiert hat.
Nur mit dem Zeitgeist passte es nicht zusammen: 1970 gewann Bruno Kreisky für die SPÖ die relative Mehrheit, und für die ÖVP setzte es eine Dauerkrise. Klaus trat noch am Wahlabend zurück, Withalm übernahm die Partei, versprach, richtig: Reformen. Stattdessen führte er die ÖVP in die Nationalratswahl 1971, bei der die SPÖ die absolute Mehrheit bekam. Woraufhin der bisherige Generalsekretär Karl Schleinzer, ein Kärntner, die ÖVP übernahm.
Harte Jahre der Opposition
1975 war Wahljahr, Schleinzer erlitt zu Beginn des Wahlkampfs einen tödlichen Unfall. Josef Taus, der schon vorher vom Profil als nächster Parteichef angekündigt worden war, übernahm die Partei und verlangte Reformen. Nein, zuerst müsse die Wahl gewonnen werden, hieß es aus der Partei. Wurde sie aber nicht. Die Partei folgte ihm nur halbherzig. Als Stephan Koren im Jänner 1978 als Präsident in die Nationalbank wechselte, wurde Alois Mock sein Nachfolger als Klubchef. Und nicht der Parteiobmann Taus, dessen Tage gezählt waren.
Bei der Wahl 1979 verlor Taus neuerlich, ein Ultimatum, der Bundespartei mehr Gewicht zu geben, verstrich – und Taus machte Platz für Mock an der Parteispitze. Mock hatte acht relativ erfolgreiche Jahre als Oppositionsführer (auch wenn aus den Bundesländern gelegentlich der Neujahrstreffen immer wieder Kritik kam), die Mehrheit errang er aber weder 1983 noch 1986. Also ging er in die Koalition mit Franz Vranitzky, was inhaltlich erfolgreich war (er hatte parteiinternen Kritikern den EU-Beitritt versprochen), ihn aber Kraft und innerparteiliches Durchsetzungsvermögen kostete.
Auf Mock folgte Josef Riegler, der sich selbst für gar nicht geeignet hielt und daher rasch von Erhard Busek, der schon Mocks Sturz wohlwollend begleitet hatte, abgelöst wurde. Busek wurde kein Erfolg gegönnt. Noch zu seiner Amtszeit wurde Erwin Pröll beauftragt, einen Wunderwuzzi zu finden, der die Partei retten könnte. Es kam Wolfgang Schüssel. Dieser verlor zwei Wahlen (1995 und 1999), hatte aber seine innerparteilichen Kritiker so weit im Griff, dass er es wagen konnte, sich aus der Position des Dritten im Jahr 2000 zum Kanzler machen zu lassen. Aller medialen Kritik und einigen Querschüssen zum Trotz konnte Schüssel die einigende Kraft der Macht nutzen. Einen Wahlsieg (2002) und eine knappe Niederlage (2006) später nahm Schüssel den Hut und machte den Bauernbündler Wilhelm Molterer zum Nachfolger.
Dieser verspielte das Vertrauen seiner Partei in einer vorgezogenen Wahl, er musste dem nächsten Bauernbündler, Josef Pröll, Platz machen. Dieser war erst sehr populär, scheiterte aber an der Hypo Alpe Adria, seiner eigenen Gesundheit und letztlich seiner Partei. Er kehre nur kurz aus dem Krankenstand zurück, um auf Geheiß von Onkel Erwin Pröll den ÖAABler Michael Spindelegger zum Nachfolger zu machen.
Auch der Niederösterreicher Spindelegger mühte sich redlich, aber seine Partei sah in ihm zu wenig Perspektive. Ständige Kritik zermürbte ihn, ein Jahr nach der (nach heutigen Maßstäben: knapp) verlorenen Wahl musste auch er 2014 gehen. Es folgte der Aufstieg und Untergang von „Django“Reinhold Mitterlehner.
Fritz Plasser.