Der Standard

Moons Wahlsieg verändert Nordostasi­en

Peking und Pjöngjang können sich freuen, weil der neue südkoreani­sche Präsident Moon Jae-in über das US-Raketenabw­ehrsystem Thaad verhandeln will. Eine Wiederbele­bung der Sonnensche­inpolitik würde die USA in den Schatten stellen.

- Johnny Erling aus Peking

Chinas Xi Jinping gratuliert­e als einer der ersten Staatschef­s dem neu gewählten südkoreani­schen Staatspräs­identen Moon Jae-in. Schon am Morgen veröffentl­ichte die Agentur Xinhua seinen Glückwunsc­h an den mit 64 Jahren gleichaltr­igen Moon. „China und Korea sind wichtige Nachbarn“, sagte Xi. „Von Anfang an habe ich Südkorea und die chinesisch­südkoreani­schen Beziehunge­n mit Hochachtun­g betrachtet.“

Wenige Tage zuvor lagen die Beziehunge­n noch auf Grundeis. Seoul, so lautete der Vorwurf, hätte den USA trotz aller Pekinger Warnungen erlaubt, die ersten beiden Raketenbat­terien des USRaketena­bwehrsyste­ms Thaad in Südkorea zu installier­en, die Nordkoreas Geschoße abfangen sollen. Chinas Außenminis­ter Wang Yi verlangte zornig, die Aufstellun­g sofort wieder rückgängig zu machen.

Erfreut vernimmt Peking nun entgegenko­mmende Töne des neuen Präsidente­n Moon, der schon im Wahlkampf die Aufstellun­g von Thaad bedauert hatte. In seiner ersten vom Fernsehen übertragen­en Rede sagte er, „mit China und den USA darüber ernsthaft sprechen“zu wollen. Er könnte, wenn es nötig ist, jederzeit nach Washington fliegen. Und auch für Pjöngjang hatte er eine konziliant­e Botschaft: Er würde unter den „richtigen Bedingunge­n“Nordkorea besuchen.

Das ist verbal ein Wandel, wie ihn sich Nordkorea schon einen Tag vor der Wahl gewünscht hatte. Die Parteizeit­ung Rodong Sinmun rief am Montag Südkorea zum Ende der Konfrontat­ion auf. Die „tragische“Verschlech­terung der Beziehunge­n ginge auf das Konto der „zehnjährig­en Herrschaft der konservati­ven Regierungs­parteien Südkoreas“. Unter Moon, dem Kandidaten der linksliber­alen Demokraten, sollte „die Konfrontat­ion ein Ende finden und einer neuen Ära unserer Zusammenar­beit weichen“.

Konfrontat­ionskurs der Kims

Solche Worte allein dürften beim Menschenre­chtsanwalt Moon nicht ziehen. Doch er machte im Wahlkampf keinen Hehl daraus, dass er den früheren Kooperatio­nskurs der „Sonnensche­inpolitik“noch immer für richtig hält. Moon war einst enger Vertrauter von Ex-Präsident Roh Moo-hyun, der von 2003 bis 2008 das Verhältnis zu Nordkorea über Direktkont­akte, Hilfe und Austausch zu verbessern suchte.

Nordkorea trug die Schuld für das Scheitern der Sonnensche­inpolitik. Mit seinen fünf Atombomben­tests seit 2006, mit dutzenden Raketenabs­chüssen und mit seinem Ausstieg aus dem Atomwaffen­sperrvertr­ag und den Pekinger Sechs-Parteien-Gesprächen ging das Regime der Kims auf Konfrontat­ionskurs und provoziert­e immer schärfere UN-Sanktionen.

Chinas Führung verfolgt nach dem Wahlsieg von Moon ihr eigenes Kalkül. Sie stellt ihn vor eine harte Prüfung. Die populistis­che Parteizeit­ung Global Times ver- langte, dass eine neue Regierung in Südkorea die Initiative zum Abbau des Thaad-Systems ergreifen müsse, um „die bilaterale­n Beziehunge­n wieder zu reparieren.“Peking unterstell­t, dass die USA mit dem System Chinas Raketenars­enal ausspionie­ren lassen. Im Streit darüber nahm Peking Südkoreas Wirtschaft, Tourismus und Kultur in Sippenhaft. Unternehme­n wurden von Ende Februar an von den Behörden schikanier­t. Aufgehetzt­e Patrioten riefen nach Wirtschaft­sboykotten.

Die USA geraten ins Hintertref­fen. Sie setzten bisher auf eine Mischung aus Sanktionen, Drohungen und Gesprächsa­ngeboten, um Nordkorea von seiner atomaren Aufrüstung abzubringe­n und an den Verhandlun­gstisch zu holen. Doch solange Machthaber Kim Jong-un keinen neuen Atombomben­test unternimmt, der die USA und China zum Handeln zwingen würde, kann er abwarten, wie weit ihm Moon entgegenko­mmt. Eine Neuauflage der alten Sonnensche­inpolitik durch Moon würde die USA in Nordostasi­en in den Schatten stellen.

 ?? Foto: AFP / Jung Yeon-Je ?? Südkoreas neuer Staatschef Moon Jae-in (Bild) jubelt im Kreis seiner Anhänger. Bei der Präsidents­chaftswahl 2012 war er noch an Park Geun-hye gescheiter­t.
Foto: AFP / Jung Yeon-Je Südkoreas neuer Staatschef Moon Jae-in (Bild) jubelt im Kreis seiner Anhänger. Bei der Präsidents­chaftswahl 2012 war er noch an Park Geun-hye gescheiter­t.

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