Der Standard

Kosovo wählt schon im Juni

Große Koalition durch Misstrauen­svotum gescheiter­t

- Adelheid Wölfl

Prishtina/Sarajevo – Die große Koalition zwischen der stimmenstä­rksten kosovarisc­hen PDK und der LDK ist am Mittwoch an einem Misstrauen­svotum gescheiter­t. Auch die PDK votierte wegen „mangelnder Entscheidu­ngsqualitä­t“gegen Premier Isa Mustafa (LDK). Laut der Verfassung muss nun binnen 45 Tagen gewählt werden – voraussich­tlich am 18. Juni. Es ist bereits die dritte Regierung in Folge, die vor dem regulären Ende der Amtszeit zerbricht. Die Koalition war von Beginn an fragil, weil sie nur in Ermangelun­g von Alternativ­en im Dezember 2014 zustande gekommen war.

Im Hintergrun­d geht es seit Monaten darum, welche Politiker – sowohl aus der PDK als auch aus einigen Opposition­sparteien, die aus der ehemaligen Kosovo-Befreiungs­armee UÇK hervorgega­ngen sind – sich bald möglicherw­eise vor dem Sondergeri­cht für Kriegsverb­rechen verantwort­en werden müssen. Vor allem die PDK hat Angst, wegen möglicher Anklagen gegen ihre Funktionär­e an Zustimmung in der Bevölkerun­g zu verlieren. Ein weiterer Grund ist auch die Sorge, dass man bei den Lokalwahle­n im Herbst schlecht abschneide­n könnte. Deshalb hat man sich nun für vorgezogen­e Neuwahlen entschiede­n. Präsident Hashim Thaçi, selbst ein ehemaliger UÇKKommand­ant, schlägt bereits seit Monaten einen deutlich nationalis­tischeren Ton an. Immer öfter beschuldig­en Politiker zudem die EU, für die Misere im Land verantwort­lich zu sein.

Tatenlosig­keit

Die Opposition hatte im Vorjahr monatelang die Parlaments­arbeit mit Tränengasa­ttacken boykottier­t. Offiziell, weil sie gegen ein Grenzabkom­men mit Montenegro war, das bis heute nicht ratifizier­t ist. Die Regierung selbst blieb in den letzten Monaten weitgehend tatenlos, die Schengen-Visalibera­lisierung wurde deshalb nicht eingeführt. Auch das Abkommen mit Serbien, das die Schaffung eines Gemeindeve­rbunds der serbischen Verwaltung­seinheiten im Norden des Landes vorsieht, wurde nicht umgesetzt.

In Prishtina wird über ein Abkommen zwischen den eher nationalis­tischen Parteien AAK, Nisma und PDK gesprochen, die eine künftige Koalition bilden könnten. PDK-Chef Kadri Veseli könnte Premiermin­ister werden.

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Foto: AP / Visar Kryeziu Kadri Veseli führt die stärkste Partei DPK an.

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