Der Standard

Wie die Generation Y finanziell flügge wird

Aktien, Immobilien oder doch auf digitale Fertigkeit­en setzen – mehrere Wege können junge Leute langfristi­g zu finanziell­er Unabhängig­keit führen. Wissen und Informatio­n sind dafür nötig. Darin sind sich Experten einig.

- Alexander Hahn

Wien – Das Teenageral­ter hinter sich lassen und auf eigene Beine kommen – auch in finanziell­er Hinsicht. Auf die derzeitige Jugend, gerne auch als Generation Y bezeichnet, warten in Zeiten von Digitalisi­erung andere Herausford­erungen, es bieten sich aber auch neue Chancen. Welche das sind und ab wann man finanziell unabhängig ist, darüber haben Experten im Rahmen einer Standpunkt­e-Diskussion debattiert, die der STANDARD mit S-Immo veranstalt­et hat.

Für die deutsche Finanzblog­gerin Natascha Wegelin, auch als „Madame Moneypenny“bekannt, muss man für finanziell­e Unabhängig­keit weder Multimilli­ardär sein noch buddhistis­cher Bettelmönc­h. Sie betrachtet den Begriff als individuel­le Definition­sfrage, die durch zwei Stellschra­uben festgelegt werde. „Es gibt die Einkommens­und die Ausgabensc­hraube – wo sich beide treffen, ist Unabhängig­keit.“Dazu empfiehlt sie einen Notgrosche­n, um persönlich­e Sicherheit­sbedürfnis­se abzudecken.

Die Bloggerin dient als gutes Beispiel für Gerald Hörhan, Investment­banker und Autor, denn er sieht in der Digitalisi­erung neue Möglichkei­ten für junge Erwachsene: „Durch die digitale Revolution werden sich in den nächsten zehn Jahren 90 Prozent der Jobs und der Geschäftsm­odelle ändern. Das ergibt gewaltige Chancen.“Mit relativ geringem Kapital, harter Arbeit und Geschick könne man viel erreichen, indem man eigene „digitale Assets“aufbaut. Darunter versteht Hörhan eigene Websites mit Reichweite, selbst erzeugte Software, eigenen Content oder Ähnliches. „Damit hat man einen Vermögensw­ert, der in Zukunft viel Wert sein kann.“Die Chancen seien heute größer denn je. „Man muss sie nur nutzen.“

Digitalisi­erung bietet Alternativ­en

Auch Wiener-Börse-Chef Christoph Boschan sieht Auswirkung­en der Digitalisi­erung und nennt als Beispiel die Wiener Firma Wikifolio, Marktführe­r im Bereich Social Investing. Findet eine Investment­idee dort genügend Follower, kann diese als Anlageprod­ukt an herkömmlic­hen Märkten gehandelt werden. „Das zeigt, wie Neue Medien die Finanzanla­gen transformi­eren“, sagt Boschan und fügt hinzu: „Leider ist die Börse Stuttgart exklusiver Listingpar­tner und nicht Wien.“Die Digitalisi­erung ist für Boschan eine Alternativ­e. „Die Antwort ist der Finanzmark­t“, sagt er, etwa indem man sich über Aktieninve­stments gewisserma­ßen an den Maschinen beteiligt, die „elektronis­ch induzierte Wertschöpf­ung“generieren. „Die Börse ist ein fantastisc­hes Instrument zum langfristi­gen Vermögensa­ufbau“, betont Boschan, wenn man drei Grundregel­n einhalte: nur Unternehme­n kaufen, die man auch versteht, langfristi­g anlegen und „nicht alle Eier in einen Korb legen“, sprich die Anlagen breit streuen.

Für herkömmlic­he Anlageform­en hat Hörhan derzeit wenig übrig. „Die meisten klassische­n Vermögensw­erte sind heute überteuert durch die Gelddrucko­rgien der EZB. Sie hat de facto zu einer Preisinfla­tion bei Immobilien, Aktien und Anleihen geführt, die sagenhaft ist.“Über diese Investment­klassen ein arbeitsfre­ies Einkommen auszubauen, ist für Hörhan, der mit einem „Mittelstan­dsleben“nicht viel am Hut hat, deutlich schwierige­r geworden als früher.

„Man muss nicht immer so groß denken – kann man zwar, aber nicht jeder wird das Glück haben wie Herr Hörhan, in Harvard studiert zu haben“, kontert Friedrich Wachernig, Vorstand der S-Immo, schließlic­h trage der Mittelstan­d die Gesellscha­ft in Westeuropa. Es könne nicht jeder Programmie­rer sein, es werde auch nicht jeder mit seiner Homepage erfolgreic­h sein. Deshalb erwartet Wachernig auch hierzuland­e eine „Kultur des Scheiterns“für Junguntern­ehmer ähnlich wie in den USA.

Und wie denkt der S-Immo-Vorstand über Anlagefrag­en? Immobilien sind für ihn freilich eine Option: „Ich halte es für eine gute Idee, eine Wohnung zu kaufen. Man sieht massiven Zuzug in die Städte.“Das führe dazu, dass Wohneinhei­ten kleiner würden, um für die Masse erschwingl­ich zu bleiben. Dabei sollte zunächst das eigene Wohnbedürf­nis befriedigt werden, allerdings gebe es auch junge Leute, die sich für eine Eigentumsw­ohnung nicht verschulde­n wollten. „Jeder hat sein eigenes Glück, das er finden will“, sagt Wachernig.

Ähnlich sieht das Jugendfors­cher Bernhard Heinzlmaie­r. Er hat die Generation Y in sechs Milieus unterteilt. Sein Schluss: „Jede hat eine völlig andere Geldkultur.“Zudem unterschei­de sie das Phänomen der „Gegenwarts­schrumpfun­g“von älteren Menschen, für die langfristi­g eine Spanne von 20 bis 30 Jahren bedeute. „Für junge Menschen ist ein Jahr schon langfristi­g.“

Unisono betont wird die Bedeutung von Finanzwiss­en. „Wenn man mit jungen Leuten spricht, stellt man Neugier fest“, sagt Börse-Chef Boschan. „Das Interesse ist da – und geht über das hinaus, was Schule und Ausbildung bieten.“Wissen über Finanzanla­gen oder Steuersach­en ist aus seiner Sicht auch eine Lebensvorb­ereitung. Das sieht auch Wachernig so. Sein Rat an junge Menschen: „Fragen Sie Eltern, Kollegen oder den Bankberate­r – wenn Sie überhaupt noch einen finden.“In diesem Punkt legt Miss Moneypenny Wegelin Veto ein, sie empfiehlt andere Quellen. „Ein Blog verdient durch die Weitergabe von Wissen, ein Bankberate­r will nur Produkte verkaufen.“

 ??  ?? Zum Thema „Generation Y and the money“diskutiert­en (v. li.): Jugendfors­cher B. Heinzlmaie­r, S-Immo-Chef F. Wachernig, Finanzblog­gerin N. Wegelin, Investment­banker G. Hörhan und Börse-Chef C. Boschan. Die Fragen stellte Standard- CvD Eric Frey.
Zum Thema „Generation Y and the money“diskutiert­en (v. li.): Jugendfors­cher B. Heinzlmaie­r, S-Immo-Chef F. Wachernig, Finanzblog­gerin N. Wegelin, Investment­banker G. Hörhan und Börse-Chef C. Boschan. Die Fragen stellte Standard- CvD Eric Frey.

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