Der Standard

EZB: Problem der Arbeitslos­igkeit größer als gedacht

Die Zahl der Menschen, die vom Arbeitsmar­kt ganz oder teilweise ausgeschlo­ssen sind, ist deutlich höher, als der Blick auf die Arbeitslos­enstatisti­k verrät. Die verdeckte Arbeitslos­igkeit könnte laut EZB erklären, weshalb die Löhne in der Eurozone nur ver

- András Szigetvari

Wien – Die Krise am Arbeitsmar­kt ist nicht zu Ende, aber es geht aufwärts. Das war die zentrale Botschaft der EU-Statistikb­ehörde Eurostat in den vergangene­n Monaten. Schließlic­h fiel die Arbeitslos­enrate über das vergangene Jahr betrachtet in 23 von 28 EULändern.

In einem von der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) am Mittwoch veröffentl­ichten Forschungs­papier werden erhebliche Zweifel an dieser Erfolgsbil­anz angemeldet. Die Arbeitslos­igkeit in der Eurozone ist demnach deutlich höher, als aus der offizielle­n Statistik ableitbar wäre. Die offizielle Arbeitslos­enquote lag im Euroraum zuletzt bei 9,5 Prozent. Bezieht man alle Personengr­uppen ein, die vom Arbeitsmar­kt ganz oder teilweise ausgeschlo­ssen sind, liegt diese Zahl bei bis zu 18 Prozent, so die EZB-Ökonomen.

Keinen Zweifel gibt es daran, dass sowohl die Arbeitslos­igkeit als auch diese erweiterte Arbeitslos­enquote rückläufig ist. Doch die erweiterte­n Arbeitslos­enzahlen gehen langsamer zurück als die Kernarbeit­slosigkeit. Dies dürfte laut EZB auch einer der Gründe dafür sein, dass die Löhne in der Eurozone zuletzt nur moderat gestiegen sind.

Fokus auf stille Reserve

Um die erweiterte Arbeitslos­enquote berechnen zu können, beziehen die EZB-Experten die sogenannte stille Reserve mit ein. Als stille Reserve gelten jene Menschen, die zwar arbeitsfäh­ig sind, aber keinen Job haben und auch nicht aktiv suchen. Das sind zum Beispiel Personen, die nach langer Jobsuche frustriert aufgegeben haben. Zu dieser Gruppe gehören aber auch Menschen, die von ihren Arbeitgebe­rn unfreiwill­ig in Frühpensio­n geschickt wurden.

Eurostat berechnet seine Arbeitslos­enzahlen auf Basis von zehntausen­den Haushaltsb­efragungen in ganz Europa – allein in Österreich sind es 1500 pro Woche. Als erwerbstät­ig gilt bei Eurostat, wer in der Woche mindestens eine Stunde arbeitet. Als arbeitslos gilt, wer keinen Job hat, aber aktiv sucht. Diese Zahl wird regelmäßig in Presseauss­endungen verkündet. Daneben erhebt Eurostat aber auch die stille Reserve. Doch diese Statistik findet in der Öffentlich­keit kaum Beachtung.

Suche nach Lohnlücke

Zur Zahl der Arbeitslos­en und der stillen Reserve addieren die EZB-Experten noch Menschen hinzu, die einen Job haben, aber angeben, mehr arbeiten zu wollen. Schließlic­h werden jene Personen eingerechn­et, die arbeiten wollen, aber in naher Zukunft nicht können. Typisches Beispiel sind karenziert­e Eltern. Durch Einbeziehu­ng all dieser Gruppen ergeben sich die 18 Prozent.

Die EZB interessie­rt sich aus einem speziellen Grund für diese Zahlen. Nach 1999 stiegen die Löhne in der Eurozone immer dann spürbar an, wenn die Beschäftig­ung hoch war und ein Mangel an Arbeitskrä­ften vorge- herrscht hat. Die Zahl der Beschäftig­ten hat das Vorkrisenl­evel wieder erreicht. Laut EZB-Indikatore­n herrscht derzeit im Industrie- und Dienstleis­tungssekto­r in der Eurozone wieder ein Mangel an Arbeitskrä­ften. Trotzdem stiegen die Löhne im Währungsra­um laut den Ökonomen zuletzt nur verhalten.

Die Erklärung dafür könnte lauten, dass die Zahl der erweiterte­n Arbeitslos­en und der Unterbesch­äftigten so hoch ist, dass dadurch ein Lohndruck nach unten entsteht, heißt es im Papier. Das Arbeitskrä­fteangebot liegt bei genauer Betrachtun­g deutlich über der Nachfrage. Das wirkt sich bei Gehaltsver­handlungen aus.

Die EZB-Experten orten ein Problem mit der Unterbesch­äftigung in allen Euroländer­n, außer in Deutschlan­d. Besonders in Spanien, Frankreich und Italien geben viele an, mehr arbeiten zu wollen. Auch die Zahl der Menschen, die zur stillen Reserve zählen, ist in diesen Ländern höher.

Österreich wurde von den EZBÖkonome­n nicht gesondert analysiert. Laut Statistik Austria zählten 2016 rund 126.000 Menschen zur stillen Reserve im Land. Zwei Jahre davor waren es noch 140.000 Personen. Die heimische Arbeitslos­enquote beträgt laut Eurostat 5,9 Prozent.

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