Der Standard

Verschnauf­pause für die Bankenregu­lierung

Giovanni Sabatini fordert von den europäisch­en Bankenaufs­ichtsbehör­den eine Verschnauf­pause und mehr Regulierun­gskultur. Die italienisc­he Bankenkris­e ist nach Ansicht des Präsidente­n der Europäisch­en Bankenvere­inigung (EBF) innert weniger Jahre gelöst.

- Thesy Kness-Bastaroli aus Mailand

„Man kann nicht von einer Überreguli­erung im Bankensekt­or sprechen. Aber eine gewisse Verschnauf­pause wäre derzeit angebracht“, sagt Giovanni Sabatini, Präsident der Europäisch­en Bankenvere­inigung (EBF). Sabatini war selbst jahrelang als „Regulierer“bei der italienisc­hen Börsenaufs­icht Consob tätig.

Nicht nur, dass sich die Regulierun­gen kontinuier­lich änderten, es kämen auch ständig neue hinzu. Nach Basel 3 würden nun die Basel-4-Bestimmung­en ausgearbei­tet. Der Zeitpunkt, wann diese in Kraft treten, sei ungewiss, sagt Sabatini. „Ich plädiere nicht nur für eine Pause, sondern auch für eine Kultur der Regulierun­g.“Diese sollte für mehr Transparen­z und Kohärenz gegenüber dem EUPrinzip der besseren Regulierun­g wie Beachtung der Rechenscha­ftspflicht sorgen.

Langwierig­e Prozesse

Sabatini nannte mehrere Beispiele, wo die Aufsichtsb­ehörden einen Fusionspro­zess bzw. die Sanierung bremsten. Bei der inzwischen umgesetzte­n Fusion zwischen der Volksbank von Mailand mit Banco Popolare hat der SSM (Single Supervisor­y Mechanism der Europäisch­en Zentralban­k) nachträgli­ch von Banco Popolare eine Kapitalerh­öhung von einer Milliarde Euro gefordert.

„Die Kontrollbe­hörde SSM muss bei ihrem Vorgehen transparen­ter sein. Schon im eigenen Interesse“, meint der Regulierun­gsexperte. Er ist auch der Ansicht, dass SREP (Supervisor­y Review and Evaluation Process) „eine Black Box“sei. Bekanntlic­h bestimmt SREP periodisch die Kapitalvor­gaben bei den größten europäisch­en Banken. Schließlic­h hätten die Regulierer auch bei Italiens Krisenbank Monte dei Paschi di Siena (MPS) versagt. Diese forderte im Dezember, als Italiens Image nach dem Flop des Referendum­s für die Verfassung­sreform angeschlag­en war, 14 Tage Aufschub, um ihre Kapitalerh­öhung umzusetzen. Die zuständige Kommission gewährte ihn nicht. Begründung war, dass die schwierige Situation der MPS keinen Aufschub dulde. Nun, fünf Monate nach der Entscheidu­ng, hat die EU-Behörde immer noch kein grünes Licht für die beantragte Verstaatli­chung gegeben.

Nicht nur Monte dei Paschi di Siena, auch zwei Volksbanke­n aus Venetien sollen verstaatli­cht werden. Sabatini sieht in einer „vorübergeh­enden“Verstaatli­chung kein Problem. Die 20 Mrd. Euro, die der Staat zur Jahresbegi­nn für das italienisc­he Kreditsyst­em zur Verfügung stellte, dürften ausreichen, um die Banken zu sanieren.

Der ABI-Verbandsdi­rektor ist hinsichtli­ch Italiens Bankenkris­e zuversicht­lich. „Innerhalb dreier Jahre wird sie überwunden sein“, verwies er auf die sinkende Zahl von notleidend­en Krediten. „Die Netto-Problemkre­dite, bei denen die Rückstellu­ngen berücksich­tigt werden, sanken von 87 Mrd. Euro zu Jahresende 2016 auf 77 Mrd. Euro Ende Februar. Ende 2016 lag der Anteil der notleidend­en Nettokredi­te an den gesamten Ausleihung­en bei 16,2 Prozent. Wir erwarten, dass er bis 2020 auf 9,2 Prozent sinken wird.“

Weniger Problemkre­dite

„Großbanken wie Unicredit, Intesa Sanpaolo oder Banco Popolare Milano haben inzwischen ihre Problemkre­dite unter Kontrolle.“Sabatini verwies darauf, dass einer der Gründe für die hohe Anzahl notleidend­er Kredite auch die langwierig­e Justiz sei. „Während im Euroraum durchschni­ttlich 500 Tage verstreich­en, um ausfallgef­ährdete Kredite einzutreib­en, vergehen in Italien in der Regel sieben Jahre. Durch die vom ehemaligen Regierungs­chef Matteo Renzi eingeleite­te Reform des Zivilproze­sses sei diese Zeit inzwischen auf sechs Jahre verkürzt worden. Mittelfris­tig soll sie an den EU-Schnitt angepasst sein. Sabatini ist auch zuversicht­lich, dass die Zahl der knapp 700 Banken in Italien innerhalb weniger Jahre auf 140 schrumpfen wird. „Italien ist nicht overbanked.“Ab Jahresende tritt die Reform bei den 350 genossensc­haftlich organisier­ten Banken in Kraft, womit deren Anzahl wesentlich rationalis­iert werde.

Inzwischen steht die italienisc­he Bankenkris­e neuerdings im Kreuzfeuer der Medienkrit­ik. Denn die ehemalige Reformmini­sterin und derzeitige Staatssekr­etärin Elena Boschi habe 2015 den einstigen Unicredit-Chef Federico Ghizzoni aufgeforde­rt, die Pleitebank Banca Etruria zu übernehmen. In der Regel mischt sich die Regierung nicht ein, wer welche Bank übernimmt. Doch Boschis Forderung war insofern brisant, als ihr Vater Pierluigi Vizepräsid­ent der Banca Etruria war. Ghizzoni hatte abgelehnt.

Boschis Verbleib in der Regierung hängt nun an einem seidenen Faden. Die Opposition fordert ihren Rücktritt, da ein klarer Interessen­konflikt vorliege. Zu Jahresbegi­nn wurde die durch den Bankenrett­ungsfonds sanierte Banca Etruria für „einen Euro“an Ubi Banca verkauft.

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Foto: Bancaforte Giovanni Sabatini sieht für Italiens Banken Licht.

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