Die dreiste Politik mit den Familien
Die Leistungen für die Familien steigen? Auf dem Papier vielleicht. Vieles sind schiere Mogelpackungen, die viel mit politischer Taktiererei, aber wenig mit Sozialem zu tun haben. Plädoyer für eine Familienpolitik, die diesen Namen auch verdient.
Erst vor kurzem hat das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) verlauten lassen, dass die „Familienleistungen“in den vergangenen Jahren über der Inflationsrate gesteigert wurden, die Details dahinter sind mehr als interessant – aus Familiensicht sprechen die Details allerdings eine andere Sprache.
Wenn im Budget irgendwo eine Lücke klafft, schauen die zuständigen Ministerien, wie sie diese schließen können. Eine leichte, aber sehr beliebte Übung ist es, die fehlende Summe aus dem Familienlastenausgleichsfonds (Flaf) zu fordern. Es versteht sich dann von selbst, dass gleichzeitig alle diese Ausgaben auch als „Familienleistungen“bezeichnet werden. Dann kann sich die Politik freuen, dass die Leistungen für Familien in den letzten 15 Jahren um ein Viertel gestiegen sind, wie es kürzlich das Wirtschaftsforschungsinstitut verkündete. Für mich ist das der blanke Zynismus.
Ein paar Beispiele gefällig? Das Gesundheitsministerium erhält jährlich eine satte Summe aus dem Flaf für die Durchführung der Untersuchungen für den MutterKind-Pass. Merke: Eine Vorsorgeuntersuchung fällt in den Bereich „Gesundheit“– außer es geht um Mütter und Kinder. Dann ist es keine Selbstverständlichkeit wie für den Rest der Bevölkerung, sondern eine „Familienleistung“.
ÖBB-Freifahrten
Auch ÖBB und Verkehrsverbünde erhalten aus dem Flaf jährlich eine stattliche Summe von über 350 Millionen Euro für Freifahrten von Schülern und Lehrlingen – ob für diese „Familienleistung“Erwachsenentarife oder Ju- gendtickets verrechnet werden, ist leider seit 20 Jahren nicht herauszubekommen.
Auch die Zufahrtsstraßen?
Den Löwenanteil der Ausgabensteigerung macht der Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen aus. Hier ein besseres Angebot zu schaffen ist gut und richtig, aber die Bereitstellung dieser Infrastruktur als „Familienleistung“zu verkaufen ist dreist. Niemand käme auf die Idee, die Errichtung von Pensionistenheimen als Pensionsleistung zu titulieren. Geht es um Kinder, wird der Ausbau von Betreuungsplätzen eine „Familienleistung“. Fällt bald die Errichtung einer Zufahrtsstraße zu Kindergarten oder Schule unter „Familienleistung“?
So kommt es, dass die „Familienleistungen“auf dem Papier und in Summe zwar steigen, aber immer weniger Geld bei den Familien direkt ankommt: Das Kinderbetreuungsgeld wurde beispielsweise mit der jetzigen Reform wieder nicht wertangepasst: Wäre das Kinderbetreuungsgeld in den 15 Jahren – so wie Pensionen oder Parteienförderungen – auch nur wertangepasst worden, müsste es heute um 4000 Euro (!) pro Kind höher sein!
Richtig zynisch wird es, wenn die Familienpolitik auch noch frauenpolitische Maßnahmen erfüllen soll. So kritisiert der Thinktank Agenda Austria die Forderungen des geplanten Frauenvolksbegehrens als arbeitsplatzfeindlich und fordert als Lösung eine radikale Verkürzung der Karenzzeit auf sechs Monate pro Elternteil. Dabei wird ein ganz wesentlicher Aspekt – jener der Kinder! – komplett ausgeblendet.
Schade, dass Wirtschaftswissenschafter nicht auch Erziehungswissenschaften studiert ha- ben, denn dann wüssten sie, was es bedeutet, wenn Kinder nicht die Aufmerksamkeit, Pflege und Zuwendung bekommen, die sie für eine gesunde Entwicklung brauchen.
Hohe Folgekosten
Die Folgekosten für die Ergebnisse dieser Politik – z. B. Bildungsverweigerung, psychische Krankheiten, Armut – sind dann viel höher. Aber das wird dann aus einem anderen Budgettopf gezahlt, und aus den Kindern sind Erwachsene geworden, die bei Wahlen eine Stimme haben.
IRENE KERNTHALER-MOSER ist Vizepräsidentin des Katholischen Familienverbandes, Fotografin und Moderatorin und war lange Sprecherin des Österreichischen Instituts für Familienforschung.