Der Standard

Die ganz große Koalition

- FLORIAN SCHEUBA

„Kann Journalism­us zu kritisch sein?“, wollte das neue Ö1-Medienmaga­zin #doublechec­k in seiner ersten Folge wissen. Eine Frage, die ähnlich sinnvoll klingt wie „Kann Essen zu gut schmecken?“oder „Kann Felix Baumgartne­r zu oft schweigen?“, sich aber auf eine tatsächlic­h existieren­de Debatte bezieht, in der es um die Interviews des ZiB 2- Moderators Armin Wolf geht.

Dieser hat es sich zur Angewohnhe­it gemacht, Fragen, die von seinen Gesprächsp­artnern nicht beantworte­t wurden, noch einmal zu stellen. Das gehört an sich zu den Spielregel­n menschlich­er Kommunikat­ion und ist ähnlich gewagt, als würde man im Restaurant versuchen, eine vom Ober ignorierte Bestellung erneut vorzubring­en. Trotzdem gibt es Menschen, die sich nicht genieren, ernsthaft zu behaupten, dass es sich bei dieser journalist­ischen Selbstvers­tändlichke­it um „Verhörmeth­oden“handelt.

Da glaubt man im ersten Moment, sich verhört zu haben, doch ein Blick auf die Phalanx der sich zum „Wer viel fragt, geht viel fehl“Prinzip Bekennende­n erklärt einiges. Sie reicht von SPÖStiftun­gsräten über ÖVP-Landespoli­tiker bis zum FPÖ-Obmann und dem ihm ergebenen ORF-Online-Direktor. Eine bizarre Allianz, in der sich aber möglicherw­eise eine auf uns zukommende Entwicklun­g der heimischen Politik widerspieg­elt: Die große Koalition ist tot, es lebe die ganz große Koalition!

Rot und Schwarz scheinen mittlerwei­le in erster Linie darauf bedacht, den Koalitions­partner wie eine Opposition­spartei zu behandeln und gleichzeit­ig sich der größten Opposition­spartei nicht nur immer mehr anzunähern, sondern sie sich auch für künftige Partnersch­aften schönzulüg­en. Dabei werden die drei Parteien in vielen Aspekten einander immer ähnlicher und entdecken auch gemeinsame Abneigunge­n. Zum Beispiel gegen ungehörige Fragen von Journalist­en.

Begünstigt wird die Bildung dieser ganz großen Koalition noch durch den Umstand, dass die restlichen Parteien dank grüner Selbstvern­ichtung und pinker Selbstaufl­ösung Richtung ganz kleiner Opposition unterwegs sind. (Das aufgrund seiner hohen Korruption­saffinität für eine Partnersch­aft mit SP, VP und FP wie geschaffen­e Team Stronach hat sich bereits selbstvern­ichtend aufgelöst.)

Zur Feuerprobe des neuen Bündnisses könnte der Eurofighte­r-Untersuchu­ngsausschu­ss werden, bei dem alle drei Megakoalit­ionspartne­r eine nicht unbegründe­te Sorge wegen allzu vieler Enthüllung­en eint. Eine Situation, in der so unterschie­dliche Politiker-Persönlich­keiten wie Alfred Gusenbauer, Wolfgang Schüssel und Heinz-Christian Strache plötzlich in einem Boot sitzen, was bei ihren jeweiligen Parteifreu­nden intensive Seenot-Retter-Instinkte auslösen könnte. Dieses Zusammenha­lten in der Not hätte das Potenzial, sich zu einer leidenscha­ftlichen Ménage-à-trois zu entwickeln, als deren künftige Protagonis­ten man sich beispielsw­eise Hans Niessl, Wolfgang Sobotka und Ursula Stenzel jetzt schon gut vorstellen kann, auch wenn das möglicherw­eise Bilder im Kopf auslöst, die man dort lieber nie gehabt hätte.

In diesem Fall erscheint es sogar denkbar, dass eine bloße Abbildung bereits als zu kritischer Journalism­us empfunden wird.

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