Der Standard

Nixon ist kein gutes Vorbild

- Gianluca Wallisch

Einmal mehr beweist Donald Trump, seine ganz eigene Sicht auf die Realität zu haben. „Wenn sich die Aufregung erst einmal legt, werden mir alle danken“, twitterte der US-Präsident in Reaktion auf die allgemeine Empörung, die dem überrasche­nden Rausschmis­s von FBIDirekto­r James Comey folgte. Journalist­enlegende Dan Rather, vertrautes Gesicht in Millionen amerikanis­chen Wohnzimmer­n, spricht von „einem der dunkelsten Tage in der amerikanis­chen Geschichte“. Trumps Vorgehen war in der Tat höchst bedenklich, weil es nicht fachlich, sondern offenkundi­g politisch motiviert war. Man liegt wohl nicht weit daneben, wenn man mutmaßt, dass die Nervosität im Weißen Haus – vor allem am Schreibtis­ch des Oval Office – seit Wochen steigt, weil sich Trumps „Moskau-Problem“einfach nicht von selbst in Luft auflösen will.

Dies wurde zuletzt auch in der Causa Michael Flynn deutlich: Den hatte Trump zum Nationalen Sicherheit­sberater gemacht – trotz Warnungen der amtierende­n Justizmini­sterin Sally Yates, der Exgeneral sei wegen seiner Russland-Kontakte kompromitt­iert und damit erpressbar. Tatsächlic­h musste Flynn schon nach wenigen Tagen zurücktret­en. Inzwischen ist er bereit, unter gewissen Bedingunge­n mit den Behörden zu kooperiere­n.

Trump wollte wohl sicherstel­len, dass es zu keinem Deal kommt, und schaffte kurzerhand FBI-Chef Comey aus dem Weg. Das könnte sich als Bumerang erweisen, denn es darf jetzt nicht „business as usual“geben. Vielmehr müssen wieder einmal diese Fragen gestellt werden: Welche Verbindung­en zwischen Trumps Vertrauten und dem Kreml gibt es wirklich? Was weiß Trump selbst darüber? Und wenn er etwas weiß: Was hat er zu verbergen? ll dies aufzudecke­n ist aber nicht nur die selbstgewä­hlte Aufgabe der unabhängig­en Medien (von Trump als „fake news“verhöhnt), sondern vor allem die verfassung­smäßige Pflicht des US-Kongresses. Senatorin Elizabeth Warren ist zuzustimme­n, wenn sie diesen auffordert, den Kopf nicht länger in den Sand zu stecken. Was sie damit meint: eine ernsthafte Diskussion darüber, ob Trump als Präsident tragbar ist – oder es jemals war.

Nicht zum ersten Mal erinnert Trump an Richard Nixon. In einer später als „Saturday Night Massacre“bekannt gewordenen Aktion entließ der damalige US-Präsident, in der Watergate-Affäre schon massiv unter Druck stehend, am 20. Oktober 1973 einen Sonderermi­ttler, um missliebig­e Ermittlung­en zu stoppen. Ein kapitaler Fehler: Sogar loyalste Kreise waren darüber empört, dass sich Nixon über die Verfassung zu stellen und Immunität zu erlangen versuchte. Der Rest ist bekannt: Im Sommer 1974 trat Nixon zurück, um einem Amtsentheb­ungsverfah­ren zu entgehen.

So wie bei Nixon liegen offensicht­lich auch bei Trump die Nerven blank. Und so wie Nixon dürfte auch Trump einen kapitalen Fehler begangen haben: Man feuert nicht ungestraft den Chef einer unabhängig­en Behörde, um die eigene Haut zu retten.

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