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Kopf des Tages

La République en Marche nominierte über 400 Kandidaten für die Parlaments­wahl

- Stefan Brändle aus Paris

Die Anwältin und Quereinste­igerin Laetitia Avia kandidiert für die Parlaments­liste des neuen französisc­hen Präsidente­n Macron.

Emmanuel Macron wird am Sonntag bei der Amtsüberga­be durch François Hollande in den Pariser Élysée-Palast einziehen. Wie er dort regieren soll, weiß er aber noch nicht. Bisher parteilos, wandelt der 39-Jährige seine vor einem Jahr gegründete Bewegung En Marche eben erst in eine politische Formation namens La République en Marche (REM) um. Ziel ist es, bei den Parlaments­wahlen am 11. und 18. Juni in allen 577 Wahlkreise­n mit eigenen Kandidaten anzutreten – und auf Anhieb eine Mehrheit zu erringen.

Die Franzosen geben den frisch gewählten Präsidente­n normalerwe­ise eine komfortabl­e Regierungs­mehrheit mit auf den Weg, damit sich das Wahlprogra­mm auch umsetzen lässt. Diesmal ist aber alles anders. Gleich vier Blöcke haben bei den Präsidents­chaftswahl­en je 20 Prozent der Stimmen erzielt: das Macron-Lager, die Republikan­er, der Front National sowie die linke France insoumise von Jean-Luc Mélenchon.

Erschwert wird die Lage, weil Macron zumeist unerfahren­e Kandidaten ins Rennen schickt. Damit löst der neue Präsident sein Verspreche­n ein, der französisc­hen Politik ein „neues Gesicht“zu verleihen. Nicht gehalten hat er aber sein Verspreche­n, auf einen Schlag alle 577 Kandidatin­nen und Kandidaten vorzustell­en. Zu den bereits früher 14.000 eingereich­ten Bewerbunge­n erhielt die Partei nach Macrons Wahl weitere 1500 Lebensläuf­e. Sie hätten zuerst noch ausgewerte­t werden müssen, sagte Generalsek­retär Richard Ferrand am Donnerstag bei einer Pressekonf­erenz. In Wirklichke­it bleibt die Lage in Dutzenden von Wahlkreise­n sehr umstritten. Macron will möglichst viele konservati­ve und sozialisti­sche Abgeordnet­e auf seine Seite ziehen. Ferrand musste einräumen, dass vorerst kein Republikan­er übergelauf­en sei. Ihnen halte REM „noch Plätze frei“.

Dagegen haben 24 sozialisti­sche Abgeordnet­e in Macrons Lager übergesetz­t. Ihre Hemmschwel­le scheint nicht nur wegen ihrer poli- tischen Nähe niedriger zu sein, sondern auch weil ihre Partei nach der Präsidente­nwahl auf ein Fiasko bei der Parlaments­wahl zusteuert. Expremier Manuel Valls hatte seinen fliegenden Wechsel schon zu Wochenbegi­nn erklärt. Bloß hatte er gar nicht angefragt, ob er bei den Macroniste­n überhaupt willkommen sei. Das war ein Fauxpas – als Premier hatte Valls seinen Wirtschaft­sminister Macron mehrfach desavouier­t. Am Donnerstag erklärte Ferrand, Valls erhalte in seinem Wahlkreis in Evry keine Nominierun­g von REM. Allerdings will man auch keinen Gegner aufstellen.

Zwischen den Stühlen

Die Begründung, Valls erfülle die Bedingunge­n nicht, klingt reichlich formalisti­sch. Auf jeden Fall findet sich Valls nun zwischen den Stühlen: Der Parti socialiste hat bereits ein Ausschluss­verfahren gegen ihn lanciert. Von den 424 Kandidatin­nen und Kandidaten, die REM schon bestimmt hat, haben 52 Prozent noch nie ein politische­s Mandat ausgeübt. Wie von Macron versproche­n, sind die Hälfte Frauen. 95 Prozent sind Neukandida­turen – ein Risiko.

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Foto: AFP/Lopez Bei Macron vorerst nicht willkommen: Manuel Valls.

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