Kurz zur Übernahme bereit – mit Bedingungen
Der 30-jährige Sebastian Kurz ist bereit, die ÖVP zu übernehmen. Allerdings wird immer wahrscheinlicher, dass er die Schwarzen in Neuwahlen führt. Schuld daran sei der Kanzler, sagt Finanzminister Hans Jörg Schelling.
Sebastian Kurz ist offenbar bereit, die ÖVP zu übernehmen, aber nicht zu jedem Preis, wie es heißt. Noch werde parteiintern gar nicht über dessen Bedingungen verhandelt, im Vordergrund steht die Frage, ob die ÖVP überhaupt bereit ist, die Koalition mit der SPÖ fortzusetzen. Stand Donnerstag: eher nein. Das Angebot von Kanzler Christian Kern, mit Kurz eine Reformpartnerschaft einzugehen, sei komplett unglaubwürdig. Das ist die Meinung der meisten Regierungsmitglieder auf schwarzer Seite, auch jene von Kurz. Er bereite sich bereits auf ein Neuwahlszenario vor.
Finanzminister Hans Jörg Schelling bringt es auf den Punkt: „Die bisherige SPÖ-Strategie ‚Alle gegen Kurz‘ ist kein inhaltliches Programm. Kerns Angebot zur Reformarbeit ist völlig unglaubwürdig. Kern und die ganze SPÖ haben seit Amtsantritt Sebastian Kurz als Zielscheibe. Kurz persönlich und seine Arbeit. Dabei war jedes Mittel recht, wie die vergangenen Tage gezeigt haben.“
Auch Schelling nimmt dabei Bezug auf jenes Posting von Kerns Sohn Niko, der Kurz mit Diktator Idi Amin verglichen hatte: „Kern hat es kommentarlos zugelassen, dass Kurz mit einem Massenmörder verglichen wurde. Einen Tag später bietet er eine Reformpartnerschaft an“, ärgert sich Schel- ling. „Das ist unglaubwürdig und zeigt, wie unehrlich Kern agiert.“
Dass mit dem Wechsel von Reinhold Mitterlehner zu Kurz nun alles besser werde, glaubt Schelling nicht. „Wer, wenn nicht Mitterlehner ist für Sacharbeit und Konsens gestanden? Trotzdem hat die SPÖ hauptsächlich blockiert. Jetzt plötzlich soll alles anders sein? Das glaubt doch nicht mal Kern selbst, wenn er ehrlich wäre.“
Hälfte im Verzug
Auch inhaltlich sei in der Regierung nichts mehr weitergegangen, argumentiert Schelling. Der Finanzminister glaubt nicht, dass sich in der Regierungsarbeit noch etwas zum Besseren wenden könne: „Bei Kerns Dauerwahlkampf blieb die Sache auf verlorenem Posten. Das Regierungsprogramm ist mehr als die Hälfte im Verzug. Und auch das, was im RegierungsUpdate vereinbart wurde, wie die kalte Progression als Steuerentlastung, hat die SPÖ danach wieder blockiert.“Schelling: „Was will Kern nun also Neues anbieten, was mit Mitterlehner nicht zu schaffen war?“
Kurz selbst ist zwar bereit, den Posten des ÖVP-Chefs zu übernehmen, möglicherweise aber nur, um die Partei in vorgezogene Neuwahlen zu führen. Den Vizekanzler, sollte die ÖVP dann überhaupt noch einen haben, könnte etwa Schelling übernehmen. Möglich ist aber auch, dass Kern nach einem Koalitionsbruch eine Minderheitsregierung installiert.
Ebenso wie die anderen Regierungsmitglieder glaubt Kurz nicht daran, dass mit der SPÖ eine echte Partnerschaft möglich sei. Diese Frage wird derzeit in der ÖVP intensiv diskutiert, eingebunden seien die Regierungsmannschaft, die Landeschefs der Partei und die Chefs der Bünde. Kurz berät sich auch intensiv mit seinen Vertrauten aus der Jungen Volkspartei, die er offenbar maßgeblich in die Gestaltung eines Wahlkampfes einbinden will.
Die Überlegung, den Parteivorstand vorzuverlegen, wurde wieder verworfen, erst am Sonntag soll die endgültige Entscheidung fallen. Diese könnte am Montag der Öffentlichkeit präsentiert werden. Auch Kanzler Kern (siehe Artikel unten) stellt sich bereits auf Neuwahlen ein.
Kurz will die Partei freilich nicht ohne Bedingungen übernehmen. So, wie die ÖVP derzeit aufgestellt sei, wo jeder nur seine Pfründe verteidige und Partikularinteressen im Auge habe, könne es jedenfalls nicht weitergehen. Sollte die Partei ihrem Wunschkandidaten nicht entsprechend entgegenkommen, gebe es für diesen auch einen Plan B: Ausstieg aus der Politik, möglicherweise ein Jahr USA.
Der 30-Jährige will zwar nicht die ÖVP auf den Kopf stellen und die Bünde gänzlich abschaffen, deren Einfluss aber zurückdrängen. Bei Personalentscheidungen müsse er freie Hand haben, ohne darauf achten zu müssen, wer aus welchem Land oder welcher Teilorganisation kommt. Bei der inhaltlichen Linie will Kurz zwar auch auf die innerparteiliche Diskussion setzen, der Volkspartei dabei aber Vorgaben nach seinen Vorstellungen machen. Das hieße auch, die Partei zu öffnen.
Partei oder Bewegung
Kurz hat bereits seine Sympathien für eine Wahlbewegung, wie sie Emmanuel Macron in Frankreich gegründet hatte, durchblicken lassen. Bekannt ist auch, dass Kurz vor einiger Zeit mit den Neos und der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss über eine gemeinsame Wahlplattform verhandelt hatte, was sich allerdings aufgrund von unterschiedlichen Vorstellungen zerschlagen hat. Auch damals schon wollte Kurz Durchgriff auf die Listenerstellung. Das könnte auch ein Knackpunkt in der ÖVP werden. Der Parteiobmann kann zwar die Bundesliste nach seinen Vorstellungen gestalten, hat aber keine Möglichkeit, bei der Erstellung der Landeslisten für eine Nationalratswahl einzugreifen. Das will Kurz, hat hier aber teilweise den Widerstand der Länder (noch) gegen sich.