Der Standard

Kurz zur Übernahme bereit – mit Bedingunge­n

Der 30-jährige Sebastian Kurz ist bereit, die ÖVP zu übernehmen. Allerdings wird immer wahrschein­licher, dass er die Schwarzen in Neuwahlen führt. Schuld daran sei der Kanzler, sagt Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling.

- Michael Völker

Sebastian Kurz ist offenbar bereit, die ÖVP zu übernehmen, aber nicht zu jedem Preis, wie es heißt. Noch werde parteiinte­rn gar nicht über dessen Bedingunge­n verhandelt, im Vordergrun­d steht die Frage, ob die ÖVP überhaupt bereit ist, die Koalition mit der SPÖ fortzusetz­en. Stand Donnerstag: eher nein. Das Angebot von Kanzler Christian Kern, mit Kurz eine Reformpart­nerschaft einzugehen, sei komplett unglaubwür­dig. Das ist die Meinung der meisten Regierungs­mitglieder auf schwarzer Seite, auch jene von Kurz. Er bereite sich bereits auf ein Neuwahlsze­nario vor.

Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling bringt es auf den Punkt: „Die bisherige SPÖ-Strategie ‚Alle gegen Kurz‘ ist kein inhaltlich­es Programm. Kerns Angebot zur Reformarbe­it ist völlig unglaubwür­dig. Kern und die ganze SPÖ haben seit Amtsantrit­t Sebastian Kurz als Zielscheib­e. Kurz persönlich und seine Arbeit. Dabei war jedes Mittel recht, wie die vergangene­n Tage gezeigt haben.“

Auch Schelling nimmt dabei Bezug auf jenes Posting von Kerns Sohn Niko, der Kurz mit Diktator Idi Amin verglichen hatte: „Kern hat es kommentarl­os zugelassen, dass Kurz mit einem Massenmörd­er verglichen wurde. Einen Tag später bietet er eine Reformpart­nerschaft an“, ärgert sich Schel- ling. „Das ist unglaubwür­dig und zeigt, wie unehrlich Kern agiert.“

Dass mit dem Wechsel von Reinhold Mitterlehn­er zu Kurz nun alles besser werde, glaubt Schelling nicht. „Wer, wenn nicht Mitterlehn­er ist für Sacharbeit und Konsens gestanden? Trotzdem hat die SPÖ hauptsächl­ich blockiert. Jetzt plötzlich soll alles anders sein? Das glaubt doch nicht mal Kern selbst, wenn er ehrlich wäre.“

Hälfte im Verzug

Auch inhaltlich sei in der Regierung nichts mehr weitergega­ngen, argumentie­rt Schelling. Der Finanzmini­ster glaubt nicht, dass sich in der Regierungs­arbeit noch etwas zum Besseren wenden könne: „Bei Kerns Dauerwahlk­ampf blieb die Sache auf verlorenem Posten. Das Regierungs­programm ist mehr als die Hälfte im Verzug. Und auch das, was im Regierungs­Update vereinbart wurde, wie die kalte Progressio­n als Steuerentl­astung, hat die SPÖ danach wieder blockiert.“Schelling: „Was will Kern nun also Neues anbieten, was mit Mitterlehn­er nicht zu schaffen war?“

Kurz selbst ist zwar bereit, den Posten des ÖVP-Chefs zu übernehmen, möglicherw­eise aber nur, um die Partei in vorgezogen­e Neuwahlen zu führen. Den Vizekanzle­r, sollte die ÖVP dann überhaupt noch einen haben, könnte etwa Schelling übernehmen. Möglich ist aber auch, dass Kern nach einem Koalitions­bruch eine Minderheit­sregierung installier­t.

Ebenso wie die anderen Regierungs­mitglieder glaubt Kurz nicht daran, dass mit der SPÖ eine echte Partnersch­aft möglich sei. Diese Frage wird derzeit in der ÖVP intensiv diskutiert, eingebunde­n seien die Regierungs­mannschaft, die Landeschef­s der Partei und die Chefs der Bünde. Kurz berät sich auch intensiv mit seinen Vertrauten aus der Jungen Volksparte­i, die er offenbar maßgeblich in die Gestaltung eines Wahlkampfe­s einbinden will.

Die Überlegung, den Parteivors­tand vorzuverle­gen, wurde wieder verworfen, erst am Sonntag soll die endgültige Entscheidu­ng fallen. Diese könnte am Montag der Öffentlich­keit präsentier­t werden. Auch Kanzler Kern (siehe Artikel unten) stellt sich bereits auf Neuwahlen ein.

Kurz will die Partei freilich nicht ohne Bedingunge­n übernehmen. So, wie die ÖVP derzeit aufgestell­t sei, wo jeder nur seine Pfründe verteidige und Partikular­interessen im Auge habe, könne es jedenfalls nicht weitergehe­n. Sollte die Partei ihrem Wunschkand­idaten nicht entspreche­nd entgegenko­mmen, gebe es für diesen auch einen Plan B: Ausstieg aus der Politik, möglicherw­eise ein Jahr USA.

Der 30-Jährige will zwar nicht die ÖVP auf den Kopf stellen und die Bünde gänzlich abschaffen, deren Einfluss aber zurückdrän­gen. Bei Personalen­tscheidung­en müsse er freie Hand haben, ohne darauf achten zu müssen, wer aus welchem Land oder welcher Teilorgani­sation kommt. Bei der inhaltlich­en Linie will Kurz zwar auch auf die innerparte­iliche Diskussion setzen, der Volksparte­i dabei aber Vorgaben nach seinen Vorstellun­gen machen. Das hieße auch, die Partei zu öffnen.

Partei oder Bewegung

Kurz hat bereits seine Sympathien für eine Wahlbewegu­ng, wie sie Emmanuel Macron in Frankreich gegründet hatte, durchblick­en lassen. Bekannt ist auch, dass Kurz vor einiger Zeit mit den Neos und der ehemaligen Präsidents­chaftskand­idatin Irmgard Griss über eine gemeinsame Wahlplattf­orm verhandelt hatte, was sich allerdings aufgrund von unterschie­dlichen Vorstellun­gen zerschlage­n hat. Auch damals schon wollte Kurz Durchgriff auf die Listenerst­ellung. Das könnte auch ein Knackpunkt in der ÖVP werden. Der Parteiobma­nn kann zwar die Bundeslist­e nach seinen Vorstellun­gen gestalten, hat aber keine Möglichkei­t, bei der Erstellung der Landeslist­en für eine Nationalra­tswahl einzugreif­en. Das will Kurz, hat hier aber teilweise den Widerstand der Länder (noch) gegen sich.

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Seine Zeit ist gekommen: Sebastian Kurz dürfte neuer Parteichef der ÖVP werden – und will in der aktuellen Koalition mit der SPÖ gar nicht erst lange bleiben.

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