Auf hohem Niveau ohne Höhepunkte
Mitterlehner wird als Wirtschaftsminister großteils gelobt. Sein Problem: Er hatte wenige Kompetenzen. In seinen eigenen Bereichen wie Gewerbeordnung und Bürokratieabbau ging nicht viel voran.
Zeitgleich mit Reinhold Mitterlehners Eintritt in die Bundesregierung begann der Niedergang. Als Mitterlehner Ende 2008 das Wirtschaftsministerium übernahm, kollabierte das Wachstum als eine Folge der globalen Finanzkrise. Das Land durchlebte im Jahr 2009 die schlimmste Rezession der Nachkriegszeit. Die Wirtschaftsleistung schrumpfte um 3,8 Prozent, die Arbeitslosigkeit stieg.
Dass die Krise im Land deutlich weniger Spuren hinterließ als in den meisten anderen Staaten und dass die Arbeitslosigkeit schon ein Jahr später wieder zu sinken begann, ist laut Ökonomen zu einem guten Teil auf die Antikrisenpolitik der Regierung unter SPÖ und ÖVP zurückzuführen.
2008 und 2009 legte die Regierung zwei umfangreiche Konjunkturpakete auf, das zweite hatte Mitterlehner als frischgebackener Minister bereits mitzuverantworten. Neben der Förderung von Klein- und Mittelbetrieben wurden Exportgarantien übernommen, Infrastrukturinvestitionen sowie eine Steuererleichterung für Arbeitnehmer vorgezogen. Zehn bis zwölf Milliarden Euro umfasste das Paket, zu dem auch großzügig unterstützte Regelungen für Kurzarbeit zählten.
Wer Ökonomen danach befragt, welche großen Reformprojekte Mitterlehners als Wirtschaftsminister in Erinnerung geblieben sind, bekommt als Antwort zunächst langes Schweigen. Zweifellos gab es seit 2008 eine Reihe von wichtigen Regierungsprojekten, etwa bei der Bankenregulierung, im Gesundheitswesen, der Bildungspolitik, Entlastung oder bei der Gerichtsbarkeit. Aber keines dieser Projekte fiel in die Ressort- zuständigkeit Mitterlehners. Auf große Reformen, die er durchgebracht hat, kann keiner der vom STANDARD befragten Ökonomen verweisen.
Aber vielleicht ist die Fragestellung unfair, sagt Helmut Hofer vom Institut für Höhere Studien in Wien. Denn in den ersten Jahren war Mitterlehner mit Aufräumarbeiten nach der Krise beschäftigt – und diese wurden eben vergleichsweiße gut bewältigt.
Start-up-Förderung
Ein paar Beispiele für gelungene Projekte fallen Hofer ein. So wurde unter Mitterlehner mit der Förderung von Lohnnebenkosten bei innovativen Start-ups begonnen. Die AWS, die Förderbank des Bundes, wickelt diese Zuschüsse ab. Das Projekt gilt als Vorläufer des umfangreicheren Beschäftigungsbonus, der gerade vom Ministerrat beschlossen wurde.
Zumindest als achtbar gilt die Ökostromreform 2012. Damals wurde die Förderung für erneuerbare Energien auf neue Beine gestellt. Mit einem Sonderbudget wurden Projekte in der Warteschleife abgebaut. Zugleich wurde aber die jährliche Förderung für erneuerbare Energien gedeckelt. Die staatlichen Zuschüsse sind deshalb in Österreich im Gegensatz zu Deutschland nicht ausgeufert. Allerdings fließt weiterhin viel Geld in wenig innovative Bereiche wie Biogasanlagen, die noch dazu unwirtschaftlich sind. Zuletzt versuchte Mitterlehner mit einem Gesetzesentwurf, hoch geförderte Produktionen durch staatliche Abwrackprämien vom Markt zu nehmen. Anders ausgedrückt: Erst wird die Errichtung, dann die Schließung subventioniert.
Der frühere Wifo-Chef Karl Aiginger bilanziert zu Mitterlehner so: „Viele kleine Schritte in die richtige Richtung, nie etwas ganz Großes“, meint der Gründer der „Querdenkerplattform: Wien – Europa“.
Wobei Mitterlehners Kompetenzen von Anfang an begrenzt waren. Die Arbeitsagenden, die sein Vorgänger Martin Bartenstein noch verantwortet hatte, hat Mitterlehner verloren. Sie wanderten ins SPÖ-geführte Sozialministerium. Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung, Christoph Neumayer, sieht einen der größeren Erfolge Mitterlehners trotzdem beim Arbeitsrecht: Ende 2015, als Gewerkschafter auf eine sechste Urlaubswoche drängten, habe Mitterlehner mit Interventionen wesentlich mitgeholfen, dies zu verhindern.
Lohnnebenkostensenkung
Neumayer hebt aber auch hervor, dass sich Mitterlehner für die Lohnnebenkostensenkung starkgemacht habe, auf die sich SPÖ und ÖVP Ende 2015 geeinigt haben. Und: Der Minister habe für Unternehmer und ihre Anliegen immer ein offenes Ohr gehabt. Wenig vorangebracht hat Mitterlehner bei der immer wieder angepeilten Reform der Gewerbeordnung. Einige Oppositionspolitiker sprechen angesichts der komplizierten Vorgaben für das Arbeiten in verwandten Berufen auch von Murks. So sei es schwer vorherzusehen, ob ein Bodenleger im Rahmen der sogenannten Nebenrech- te die neue Schwelle von 15 Prozent einhält, die beispielsweise für Tischlerarbeiten ohne eigenen Gewerbeschein erlaubt sind.
Auch bei seinem Leibthema, dem Bürokratieabbau und dem Kampf gegen die angebliche Überregulierung durch Arbeitsinspektorate, geschah wenig. Große Entrümpelungsaktionen wurden immer wieder angekündigt, umgesetzt hat der ÖVP-Chef meist nur kleinere Änderungen. Mitterlehner setzte stärker auf den Kompromiss, als es manchen in der Partei lieb war. Beim Thema Pensionen etwa hatte der schwarze Verhandler Hans Jörg Schelling stärkere Eingriffe forciert, wurde letztlich aber vom Parteichef zurückgepfiffen. Der Koalitionsfrieden wog mehr. Der Finanzminister soll dem Vizekanzler den Rückzieher lange nicht verziehen haben, hieß es immer wieder hinter vorgehaltener Hand.
Trotzdem loben viele Mitterlehner unisono als Minister mit viel Sachverstand. Die Regierung habe mit ihm als Vizekanzler ein deutlich wirtschaftsfreundlicheres Gesicht bekommen, sagt Michael Peneder vom Wifo. Als Vizekanzler, der deutlich mehr in der Öffentlichkeit gestanden ist, sei es ihm gelungen, das Bild zu verändern. Vor seiner Amtszeit haben Manager jahrelang wenig vertrauensvoll über die Regierung geredet.
Mit Mitterlehners Abtritt hängen viele Vorhaben in der Luft. Klarerweise lässt sich über deren Umsetzung wenig sagen, solange offen ist, ob die Regierung weitermacht. Zuletzt war der Jobbonus ein Argument der Koalition dafür, dass diese noch funktioniere. Pikanterie am Rande: Die ÖVP hat sich lange und intensiv gegen die Maßnahmen zur Förderung zusätzlich eingestellter Beschäftigter gewehrt. Zwar hat die Maßnahme den Ministerrat passiert, Umsetzungsschritte fehlen aber ebenso wie die budgetäre Bedeckung.
Ähnlich sieht es bei anderen Maßnahmen im Wirtschaftsbereich aus. Die Investitionszuwachsprämie – für kleinere Unternehmen längst realisiert – wurde größeren Betrieben ebenfalls versprochen, aber noch nicht gewährt. Und auch die Anhebung der Forschungsprämie wird – wenn überhaupt – nicht mehr von Mitterlehner gefeiert werden.