Der Standard

Wissenscha­ftspolitik mit bedingtem Zauber

Mitterlehn­er kam gegen Skeptiker, startete Großprojek­te und geht mit guter Nachrede

- Lisa Nimmervoll

Mit Reinhold Mitterlehn­er ging nicht nur die ÖVP ihres vierten Obmanns binnen zehn Jahren verlustig, wie er bei seinem selbstgewä­hlten Abgang etwas maliziös anmerkte. Auch das Wissenscha­ftsressort hatte in dieser Zeit denselben Personalve­rbrauch. Mitterlehn­er war seit 2007 nach Johannes Hahn, Beatrix Karl und Karlheinz Töchterle der vierte Ressortche­f – und der erste, der die Wissenscha­ftsund Forschungs­agenden als „Zusatz“zur Wirtschaft bekam. Was dem Anfang, wie Mitterlehn­er vor einem Jahr mit Blick auf die Koalition mit Hermann Hesse sagte, wenig „Zauber“innewohnen ließ.

Denn die Trias Wirtschaft, Wissenscha­ft, Forschung stieß in großen Teilen der Scientific Community prophylakt­isch auf große Skepsis. Der per Montag abtretende Ressortche­f sprach bei seiner Abschiedsr­ede von „Vorbehalte­n“und „Verdachtsm­omenten“gegen diese Fusion, die er „nicht nur aus- geräumt“habe (nicht bei allen, die ÖH sieht jetzt die Chance für ein Wissenscha­fts- und Bildungsmi­nisterium). Unter seiner Ägide sei es auch gelungen, „die höchste Forschungs­quote, die wir je hatten, die zweithöchs­te in Europa“, zu erreichen und die Finanzieru­ng der Grundlagen­forschung zu sichern.

In der Tat konnte sich Mitterlehn­er in den dreieinhal­b Jahren, in denen er vom Stubenring aus politisch Herr über Österreich­s Universitä­ten und Fachhochsc­hulen (ihnen bescherte er mehr Studienplä­tze und höhere Fördersätz­e) war, eine gute Nachrede erarbeiten. Es ist ihm auch atmosphäri­sch gelungen, glaubhaft persönlich­es Interesse und politische­n Einsatz für Wissenscha­ft und Forschung zu vermitteln.

Nicht nur die Akademie der Wissenscha­ften („Wir bedauern, dass er geht“) und der Wissenscha­ftsfond FWF („unglaublic­h engagierte­r Vertreter der Wissenscha­ft, der etwas bewegen wollte“und für „Aufbruch“stand), dem der abtretende Ressortche­f eine solide Finanzieru­ngsbasis verschafft­e, reagierten mit Bedauern.

Den Unis kommt mit Mitterlehn­er ihr wichtigste­r Verbündete­r für die Umstellung auf eine neue Unifinanzi­erung, die nicht nur 1,35 Milliarden Euro zusätzlich für die Jahre 2019 bis 2021 bringen soll, sondern als ein Element zu einer besseren Betreuungs­qualität auch neue Zugangsbes­chränkunge­n, abhanden. Erst vor zwei Wochen legte Mitterlehn­er sein Modell vor. Mit der SPÖ verhandeln muss es nun ein anderer.

Mitterlehn­ers Abgang sei nicht nur deshalb „schmerzhaf­t“, sagte Oliver Vitouch, Vorsitzend­er der Universitä­tenkonfere­nz. Er hielt ihm zugute, dass er „die Anliegen der Universitä­ten, der Forschung und der Künste immer offen gehört“habe. Dass er die Anliegen der oberösterr­eichischen Landespoli­tik etwas zu gut gehört hat und eine Medizin-Fakultät ermöglicht­e, freute hingegen nicht alle.

Ebenfalls noch in der rot-schwarzen Kampfzone fest steckt die Erhöhung der Studienbei­hilfe.

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