Plädoyer gegen „Überwachungsfantasien“
Rechtsanwaltskammertag warnt vor Einschränkung der Grund- und Freiheitsrechte
Wien – Der österreichische Rechtsanwaltskammertag (Örak) warnt in seinem jährlichen Wahrnehmungsbericht 2016/17 vor zunehmenden Überwachungsmaßnahmen und einer Ausweitung von Polizeibefugnissen.
Damit gemeint sind unter anderem eine „Gefährder“-Überwachung mittels elektronischer Fußfessel, die Vernetzung von privaten Videoüberwachungsanlagen, der Einsatz von Bundestrojanern oder die Einschränkung des Demonstrationsrechts – Maßnahmen, die Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) mehrfach gefordert hatte.
Dieser schickte am Montag eine Novelle zum Sicherheitspolizei- gesetz in Begutachtung, die auch eine Autokennzeichenerfassung enthält, bei der Infos wie Autofarbe- und marke bis zu 48 Stunden gespeichert werden. Laut Örak wird die Angst der Bevölkerung vor möglichen Terroranschlägen missbraucht, um den Sicherheitsbehörden unverhältnismäßige und verfassungsrechtswidrige Befugnisse zu erteilen.
Der Präsident des Örak, Rupert Wolff, kritisierte des Weiteren die „Novellierungswut“im Fremdenrecht. Die Fülle an Novellen würde mehr Unklarheiten als Klarheiten schaffen, sagte Wolff.
Bezüglich der Praxis in Asylverfahren beobachten die Rechtsanwälte grobe Missstände. Die Ent- scheidung über einen positiven oder negativen Asylbescheid würde sich nicht an der Sicherheitslage des jeweiligen Herkunftslandes orientieren. Besonders betroffen seien dabei Asylwerber aus Afghanistan. „Nicht Rechtsstaatlichkeit, sondern Willkür scheint hier um sich zu greifen“, meinte Wolff.
Die Rechtsanwälte stellen auch der Qualität im Gesetzgebungsprozess kein gutes Zeugnis aus. So seien beispielsweise die Begutachtungsfristen zu kurz oder oft gar inexistent. Wolff warnt auch vor übertriebener Anlassgesetzgebung wie beim neuen Strafrechtspaket: „Die Praxis zeigt, dass die bestehenden Bestimmungen ausreichen.“(au)