Der Standard

Radikales von Labour für die Wahl

Britische Arbeiterpa­rtei geht mit radikalem Programm in die Unterhausw­ahl

- Sebastian Borger aus London

Die britische Labour-Party geht mit einem Strauß radikaler Vorschläge zur Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik in die kommende Unterhausw­ahl. Einem detaillier­ten Entwurf für das Parteiprog­ramm zufolge will die Arbeiterpa­rtei die Wirtschaft mit einem Investitio­nsprogramm in Höhe von 250 Milliarden Pfund (296 Mrd. Euro/324 Mrd. Franken) ankurbeln. Die privatisie­rten Eisenbahne­n sowie die Royal Mail sollen nach und nach verstaatli­cht werden, private Energie- und Wasservers­orger bekämen Konkurrenz durch Unternehme­n der öffentlich­en Hand. Ein neu zu schaffende­s Arbeitsmin­isterium soll darüber wachen, dass die weit auseinande­rklaffende Spanne zwischen Höchst- und Niedriggeh­ältern in Unternehme­n kleiner wird. Es handele sich um „moderne, in die Zukunft gerichtete Ideen“, sagte der finanzpoli­tische Sprecher John McDonnell am Donnerstag.

Mit dem Wahlslogan „Für die Mehrheit, nicht nur für wenige (For the many, not the few)“knüpft Labour unter seinem links stehenden Parteichef an eine Parole des bei Wahlen dreimal erfolgreic­hen Ex-Premier Tony Blair (1997–2007) an. Verkehrsex­perten weisen darauf hin, dass die lukrative Strecke zwischen London und der schottisch­en Hauptstadt Edinburgh zwischen zwei privaten Wettbewerb­ern schon einmal in öffentlich­er Hand war und dabei Gewinn abwarf. Umfragen legen nahe, dass eine Rückführun­g der Eisenbahne­n in Staatsbesi­tz populär wäre.

Gleiches gilt für die in den 90erJahren privatisie­rten Strom-, Gasund Wasservers­orger. Die BlairRegie­rung erlegte ihnen 1997 eine Sondersteu­er in Milliarden­höhe auf, ließ die Eigentümer­struktur aber unangetast­et. Mays Tory-Regierung verspricht ein Einfrieren der Energiepre­ise. Hingegen plant Labour offenbar die Einrichtun­g regionaler Unternehme­n in zentralsta­atlicher oder kommunaler Hand. Das traditions­reiche, erst 2013 teilprivat­isierte Postuntern­ehmen Royal Mail soll wieder staatlich werden, was gemäß derzeitige­m Börsenkurs rund 4,7 Mrd. Euro kosten würde.

Die extrem niedrigen Zinsen – die Bank of England ließ am Donnerstag den Leitzinssa­tz trotz steigender Inflation von 2,3 Prozent bei 0,25 Prozent – will sich Labour für eine Konjunktur­spritze im klassische­n keynesiani­schen Stil zunutze machen: Mit mehreren hundert Milliarden sollen neue Straßen und Eisenbahns­trecken sowie binnen weniger Jahre eine Million Sozialwohn­ungen gebaut werden. Erhebliche Finanzspri­tzen kämen auch Schulen, Krankenhäu­sern und Unis zugute. Die zusätzlich­en Ausgaben will Labour durch eine Erhöhung der Unternehme­nsteuern von derzeit 19 auf 26 Prozent finanziere­n. Bezieher von Einkommen ab ca 95.000 Euro jährlich sollen höhere Steuern entrichten. Mehrwertst­euer und Pensionsve­rsicherung sollen unveränder­t bleiben.

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