Radikales von Labour für die Wahl
Britische Arbeiterpartei geht mit radikalem Programm in die Unterhauswahl
Die britische Labour-Party geht mit einem Strauß radikaler Vorschläge zur Wirtschafts- und Sozialpolitik in die kommende Unterhauswahl. Einem detaillierten Entwurf für das Parteiprogramm zufolge will die Arbeiterpartei die Wirtschaft mit einem Investitionsprogramm in Höhe von 250 Milliarden Pfund (296 Mrd. Euro/324 Mrd. Franken) ankurbeln. Die privatisierten Eisenbahnen sowie die Royal Mail sollen nach und nach verstaatlicht werden, private Energie- und Wasserversorger bekämen Konkurrenz durch Unternehmen der öffentlichen Hand. Ein neu zu schaffendes Arbeitsministerium soll darüber wachen, dass die weit auseinanderklaffende Spanne zwischen Höchst- und Niedriggehältern in Unternehmen kleiner wird. Es handele sich um „moderne, in die Zukunft gerichtete Ideen“, sagte der finanzpolitische Sprecher John McDonnell am Donnerstag.
Mit dem Wahlslogan „Für die Mehrheit, nicht nur für wenige (For the many, not the few)“knüpft Labour unter seinem links stehenden Parteichef an eine Parole des bei Wahlen dreimal erfolgreichen Ex-Premier Tony Blair (1997–2007) an. Verkehrsexperten weisen darauf hin, dass die lukrative Strecke zwischen London und der schottischen Hauptstadt Edinburgh zwischen zwei privaten Wettbewerbern schon einmal in öffentlicher Hand war und dabei Gewinn abwarf. Umfragen legen nahe, dass eine Rückführung der Eisenbahnen in Staatsbesitz populär wäre.
Gleiches gilt für die in den 90erJahren privatisierten Strom-, Gasund Wasserversorger. Die BlairRegierung erlegte ihnen 1997 eine Sondersteuer in Milliardenhöhe auf, ließ die Eigentümerstruktur aber unangetastet. Mays Tory-Regierung verspricht ein Einfrieren der Energiepreise. Hingegen plant Labour offenbar die Einrichtung regionaler Unternehmen in zentralstaatlicher oder kommunaler Hand. Das traditionsreiche, erst 2013 teilprivatisierte Postunternehmen Royal Mail soll wieder staatlich werden, was gemäß derzeitigem Börsenkurs rund 4,7 Mrd. Euro kosten würde.
Die extrem niedrigen Zinsen – die Bank of England ließ am Donnerstag den Leitzinssatz trotz steigender Inflation von 2,3 Prozent bei 0,25 Prozent – will sich Labour für eine Konjunkturspritze im klassischen keynesianischen Stil zunutze machen: Mit mehreren hundert Milliarden sollen neue Straßen und Eisenbahnstrecken sowie binnen weniger Jahre eine Million Sozialwohnungen gebaut werden. Erhebliche Finanzspritzen kämen auch Schulen, Krankenhäusern und Unis zugute. Die zusätzlichen Ausgaben will Labour durch eine Erhöhung der Unternehmensteuern von derzeit 19 auf 26 Prozent finanzieren. Bezieher von Einkommen ab ca 95.000 Euro jährlich sollen höhere Steuern entrichten. Mehrwertsteuer und Pensionsversicherung sollen unverändert bleiben.