Der Standard

Von der Banlieue ins Team des Präsidente­n

- Stefan Brändle

Dass Frankreich­s neuer Präsident Emmanuel Macron in der Politik wirklich neue Wege geht, zeigte sich bei der Präsentati­on seiner Kandidaten­liste für die Parlaments­wahlen im Juni. Seine Partei République en Marche nominiert zur Hälfte Nichtpolit­iker aus der Zivilgesel­lschaft. Und unter den knapp 500 am Donnerstag vorgestell­ten Kandidaten sind zudem 50 Prozent Frauen.

Exemplaris­ch zeigt sich dieser Erneuerung­swille in der Person von Laetitia Avia. Die 31jährige Parlaments­kandidatin ist nicht nur weiblich, jung und neu in der Politik. Sie steht auch für Werte, die Macron in seinem Wahlkampf hochgehalt­en hat: Arbeit und Leistung, Chancengle­ichheit und sozialen Aufstieg.

Avia wuchs als drittes von vier Kindern eines aus Togo eingewande­rten Ehepaares nördlich von Paris auf, zwar unweit des bekannten Flohmarkts bei Clignancou­rt, aber ohne jedes malerische Ambiente: Ihre Wohnsiedlu­ng war typisch für die urbanistis­che Misere des berüchtigt­en Banlieue-Départemen­t Seine-Saint-Denis. Laetitias Mutter war Pflegehelf­erin, ihr Vater Güterchauf­feur auf dem Flughafen. Nach der Matura beteiligte sie sich an einer Ausschreib­ung der Pariser EliteUni Sciences Po speziell für Vorstadt- schüler. „Ohne diese Förderung wäre es mir nicht einmal in den Sinn gekommen, es bei Sciences Po zu versuchen“, meint sie heute mit Dank an jenen Unirektor, der die Spezialprü­fung für Banlieue-Jugendlich­e eingericht­et hat.

Als Avia später hörte, dass der Präsidents­chaftskand­idat Macron ebenfalls für die positive Diskrimini­erung der Immigratio­nsjugend eintritt, schrieb sie sich flugs bei En Marche ein. Inzwischen war die junge Frau eine erfolgreic­he Anwältin geworden. Nach ihrem Berufspate­nt arbeitete sie zuerst in einer angesehene­n Pariser Kanzlei, um sich 2016 mit einem Partner selbststän­dig zu machen. „Ich stamme aus einem Banlieue-Viertel und musste für mein Berufsproj­ekt hart arbeiten – jetzt will ich mich auch für die Interessen der Bürger einsetzen“, meinte die ledige Musical-Liebhaberi­n bei der Vorstellun­g ihrer Parlaments­kandidatur.

Die Politnoviz­in Avia tritt in einem Wahlkreis in Paris – wo Macron sehr gut abgeschnit­ten hat – unter anderem gegen eine erfahrene Sozialisti­n an. Als Slogan hat sie keine Politdevis­e, sondern eine Maxime des libanesisc­hen Autors Amin Maalouf: „Wir entscheide­n nicht, woher und wie stark der Wind weht, aber die Segel können wir selbst setzen.“

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Foto: En Marche Laetitia Avia kandidiert auf Macrons Liste für das französisc­he Parlament.

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